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Artikel des Netzwerks "Zukunft des Mitgliederverbandes"
Dieser Artikel entstand im AWO-Netzwerk „Zukunft des Mitgliederverbandes“. Das offene, digitale Netzwerk bietet einen Raum für praxisnahen Austausch und Zusammenarbeit für Hauptamtliche im Themenfeld Verbandsentwicklung. Als Arbeitsnetzwerk und Resonanzraum für Innovation und gute Praxis veröffentlich das Netzwerk angewandte Handreichungen zu Ehrenamt, Ehrenamtsbetreuung und Verbandsentwicklung. Der vorliegende Artikel wurde von Katharina Neumann (AWO Bezirksverband Hannover) und Tim Jeanrond (AWO Kreisverband Werra-Meißner) verfasst. Er spiegelt die Meinung der Autor*innen wider.
In Zeiten zunehmender Individualisierung ist das ehrenamtliche Engagement zu einer tragenden Säule für die Gesellschaft geworden. Überall, wo Menschen für die Gesellschaft aktiv werden, sprechen wir von gesellschaftlichem oder bürgerschaftlichen Engagement.
Die Formen von bürgerschaftlichem Engagement sind vielfältig und facettenreich, so auch die Wege, wie Menschen zu einem Ehrenamt gelangen. Ein Weg ist das Corporate Volunteering. Da diese Form des Engagements in der AWO eine wenig gelebte Praxis ist, soll in diesem Artikel Corporate Volunteering beleuchtet und Vor- und Nachteile abgewägt werden.
Was ist Corporate Volunteering?
Corporate Volunteering bezeichnet den Einsatz von Mitarbeiter*innen eines Unternehmens für gemeinnützige Zwecke, der über das reguläre Kerngeschäft hinausgeht. Die Mitarbeiter*innen erbringen in einem vom Arbeitgeber festgelegten Rahmen ehrenamtliches Engagement in der Arbeitszeit und bei regulärer Entlohnung. Das Engagement kann in neuen Projekten oder einem bereits bestehenden Ehrenamt der Mitarbeiter*innen erfolgen. Das Instrument soll der Förderung des Engagements der Mitarbeiter*innen dienen.
Corporate Volunteering bezeichnet den Einsatz von Mitarbeiter*innen eines Unternehmens für gemeinnützige Zwecke, der über das reguläre Kerngeschäft hinausgeht.
Corporate Volunteering kann verschiedene Formen annehmen, zwischen denen Unternehmen und gemeinnützige Organisationen wählen können. Es wird unterschieden zwischen Skills-based-Volunteering, Hands-on-Volunteering und Micro-Volunteering. Das Skills-based-Volunteering beschreibt den Einsatz von beruflichen Kernkompetenzen und Know-How zur professionellen Unterstützung eines gemeinnützigen Projektes (z. B. Pro-bono-Beratungen oder Austauschformate für Führungskräfte). Im Hands-on-Volunteering lernen Mitarbeiter*innen eine andere Arbeitswelt als ihre gewohnte kennen und arbeiten praxisorientiert im unbekannten Arbeitsbereich mit (z. B. Mitarbeit in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen oder Baumpflanzaktionen in Naturschutzgebieten). Das Micro-Volunteering ist ein kurzes, zeitlich begrenztes Engagement und dient häufig als Einstieg für langfristige und kontinuierliche Projekte.
Vorteile von Corporate Volunteering für Unternehmen und deren Mitarbeiter*innen
Corporate Volunteering hat zahlreiche Vorteile für Unternehmen. Motivieren Unternehmen ihre Mitarbeiter*innen zu bürgerschaftlichem Engagement, übernehmen Firmen eine gesellschaftliche Verantwortung und sensibilisieren ihre Angestellten für soziale Herausforderungen. Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung führt zu einer verbesserten Sichtbarkeit und Reputation des Unternehmens, aber auch zu einer stärkeren Identifikation der Arbeitnehmer*innen mit ihrem Arbeitgeber. Unternehmen, die Corporate Volunteering in ihrer Strategie verankert haben, ermöglichen ihren Mitarbeiter*innen das Erleben neuer Perspektiven und Erfahrungen, die positiven Einfluss auf die Innovationskraft und Kreativität haben können. Mitarbeitende können sowohl von einer Persönlichkeits- als auch von einer Kompetenzentwicklung profitieren und sich ggf. sogar für ein langfristiges Engagement inspirieren und begeistern lassen.
Vorteile von Corporate Volunteering für Organisationen
Corporate Volunteering hat für Organisationen zwei zentrale Vorteile. Zum einen bietet das zusätzliche Angebot von personellen Ressourcen und Expertise die Möglichkeit zur Verwirklichung von Projekten, die ohne Corporate Volunteering nicht möglich wären. Zum anderen generieren Kooperationen Sichtbarkeit für Organisationen mit ihren Themen und Positionierungen und es besteht die Chance der nachhaltigen Entwicklung neuer Netzwerke.
Gesellschaftlicher Mehrwert von Corporate Volunteering
Corporate Volunteering wirkt über den Einzelfall hinaus. Kann ein ehrenamtliches Engagement zu Teilen innerhalb der Arbeitszeit verrichtet werden, sinkt die Schwelle dazu gerade für Personenkreise, die bisher keine Berührungen dazu hatten. Da sich viele Mitarbeiter*innen auch nach Ablauf eines zeitlich begrenzten Corporate Volunteering-Projektes für die weitere ehrenamtliche Mitarbeit entscheiden, kann von einem positiven Einfluss auf die Förderung der Engagementkultur innerhalb der Gesellschaft ausgegangen werden.
Was heißt das für uns als AWO?
Im Corporate Volunteering stecken viele Vorteile und Chancen für Gliederungen jeder Ebene der Arbeiterwohlfahrt. Durch ohnehin schon eng abgesteckte Refinanzierungen fehlen häufig finanzielle Mittel, um neue Projekte anzugehen oder bestehende Projekte auszubauen. An dieser Stelle bietet Corporate Volunteering durch die unentgeltliche Zusammenarbeit mit regionalen Kooperationspartner*innen großes Potenzial. Bisher sind wenige Beispiele für Corporate Volunteering in der AWO bekannt.
Neben den positiven Effekten darf aber der Aufwand solcher Kooperationen nicht außer Acht gelassen werden. Es werden personelle und zeitliche Ressourcen benötigt, um geeignete Unternehmen auszumachen, die über das benötigte Know-how verfügen und bereit sind, den Verband in ihre bestehenden Corporate Volunteering Programme aufzunehmen oder Corporate Volunteering in ihrem Unternehmen zu implementieren. Corporate Volunteering sollte bestenfalls als langfristige und verlässliche Beziehung zwischen Unternehmen und Organisation verstanden werden. Um dieses gemeinsame Verständnis zu entwickeln und aufrecht zu erhalten, benötigt es Durchhaltevermögen, Kommunikation und Zeit. Diese Aspekte sind bei den Überlegungen und Planungen von Corporate Volunteering Aktivitäten zu berücksichtigen. Des Weiteren sollten sich interessierte Gliederungen der AWO die folgenden Fragen stellen, um geeignete Kooperationsunternehmen ausfindig und daraufhin bestenfalls direkt kontaktieren zu können:
- Welches Ziel soll primär verfolgt werden (z. B. Bearbeitung eines konkreten Projektes, Erhöhen der regionalen Bekanntheit etc.)?
- Welche Form des Corporate Volunteering ist sinnvoll und geeignet?
- Wie viele Mitarbeiter*innen werden zur Bearbeitung des Projektes / der Problemstellung benötigt? Welche Aufgaben sollen wahrgenommen werden?
- Wie oft sollen Aktivitäten im Rahmen des Corporate Volunteering stattfinden? Einmalige Aktion oder langfristige Kooperation?
- Wie lang soll das Engagement der Mitarbeiter*innen des Unternehmens dauern (z. B. Aktionstag, Aktionswoche, kontinuierliches Engagement)?
Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Plattformen, die bei der Suche von Kooperationspartner*innen im Bereich Corporate Volunteering hilfreich sein können. Der UPJ e. V., ein Netzwerk engagierter Unternehmen und gemeinnütziger Mittlerorganisationen in Deutschland, hat im Jahr 2021 in seinem Arbeitspapier „Digitale Plattformen für Corporate Volunteering“ verschiedene dieser Plattformen evaluiert und Empfehlungen für Einsatzmöglichkeiten entwickelt.
Bei der Wahl eines*r Kooperationspartner*in sollten AWO-Gliederung zudem auf die Leitbilder und Handlungsfelder der Unternehmen achten, sodass diese nicht den Grundwerten der AWO entgegenstehen.
Corporate Volunteering Programme für AWO-Mitarbeitende
Das Corporate Volunteering kann seitens der AWO nicht nur als „Nehmer-Organisation“ begriffen werden. Mit bis zu 250.000 Mitarbeitenden bundesweit hat die AWO selbst großes Potential für eigene Corporate Volunteering Programme. Die Unterstützung von Aktionen, Veranstaltungen und Projekten auf den unteren Gliederungsebenen durch freigestellte AWO-Mitarbeiter*innen bietet die Chance, mehr personelle Ressourcen für Ortsvereine und Kreisverbände zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus gilt auch hier, dass selbst erlebte Freiwilligenarbeit der AWO-Mitarbeiter*innen zu einer Förderung der individuellen Engagements und einer stärkeren Bindung an die AWO als Arbeitgeber führen kann.
Fazit
Corporate Volunteering bietet allen beteiligten Akteur*innen zahlreiche Chancen und Vorteile, allerdings müssen diese gut mit dem aufzubringenden Aufwand abgewogen werden. Corporate Volunteering Aktivitäten müssen strategisch und zielgerichtet geplant sein, damit das Instrument sinnstiftend eingesetzt wird und im besten Fall zu langfristigen Kooperationen und einem nachhaltigen Engagement führt. Da Corporate Volunteering in der AWO bisher wenig gelebte Praxis ist, kann von bisher ungenutztem Potenzial auf der ein und Hürden bei der Gewinnung geeigneter Partner auf der anderen Seite ausgegangen werden.
Da Corporate Volunteering in der AWO bisher wenig gelebte Praxis ist, kann von bisher ungenutztem Potenzial und Hürden bei der Gewinnung geeigneter Partner ausgegangen werden.
Kontakt:
Matthias Schug
Projektleiter „DigiTeilhabe –Inklusives Engagement und digitale Nachbarschaft“