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Verlässliche Demokratieförderung für die plurale Gesellschaft

Die AWO beteiligt sich am Programm „Respekt Coaches“ der Jugendmigrationsdienste. Ziel ist die Prävention gegen jede Form von Extremismus, Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Das demokratische Gemeinwesen lebt von der Vielfalt der Menschen. Und es lebt davon, dass sich die Menschen gegenseitig als Verschiedene und dabei Gleiche anerkennen – Menschen verschiedenen Geschlechts, Alters, verschiedener Weltsichten und Religionen, biographischer Erfahrungen und Präferenzen. Solange über die demokratischen Spielregeln Einigkeit herrscht, hält das Gemeinwesen Konflikte, auch scharfe, gut aus und entwickelt sich gerade in Konflikten weiter.

Das demokratische Gemeinwesen lebt auch von Menschen, von Gruppen und Organisationen, die sich für diese Spielregeln als Grundlage des Zusammenlebens engagieren und von den vielen Aktiven, die einstehen gegen menschen- und demokratiefeindliche Ideologien. Eine künftige Bundesregierung muss sich daran messen lassen, wie entschieden sie dieses Engagement unterstützt und dafür eine verlässliche Basis schafft.

In den vergangen Jahren wurde einiges angestoßen. So verabschiedete das Bundeskabinett im Dezember 2020 den Maßnahmenkatalog des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus. Der Katalog enthält 89 Maßnahmen aus den Zuständigkeitsbereichen von sieben Bundesministerien und von mehreren Bundesbeauftragten. Die Bundesregierung kündigte zur Umsetzung der Maßnahmen für die Jahre 2021 bis 2024 einen Finanzrahmen von einer Milliarde Euro an. Für das Haushaltsjahr 2021 wurden zusätzlich 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Der Kabinettausschuss unter dem Vorsitz der Bundeskanzlerin und des Bundesinnenministers erarbeitete den Katalog unter Einbindung von Migrantenorganisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen und im Austausch mit der Wissenschaft und den Bundesländern. Die Maßnahmen können dazu beitragen, dass Rassismus als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen erkannt wird, das auch in der Mitte der Gesellschaft wirkt. Damit können die Maßnahmen auch diejenigen unterstützen, die Rassismus erfahren. Gleichzeitig kann das Paket die Gesellschaft darin bestärken, ihre eigene Vielfalt anzuerkennen und die Teilhabe aller ihrer Mitglieder sicherzustellen. Die Maßnahmen werden ihr Potential aber nur entfalten, wenn eine neue Bundesregierung die Ankündigungen in die Tat umsetzt.

Gleichzeitig kann der Maßnahmenkatalog nur ein Baustein einer langfristigen Strategie sein. Um die Grundlagen des demokratischen Gemeinwesens auf Dauer zu sichern, ist eine Politik erforderlich, die über einzelne Maßnahmen und kurzfristige Projekte hinausgeht. Demokratieförderung ist eine essentielle Dauer- und Querschnittsaufgabe. Ihr gerecht zu werden erfordert eine gesetzliche Grundlage, ein Gesetz zur Förderung der Demokratie. Demokratieförderung ist Bildungs- und Beziehungsarbeit, die nur auf der Basis von Verlässlichkeit und Stetigkeit gelingt.

Wie wichtig Verlässlichkeit und Stetigkeit sind, erfährt die Arbeiterwohlfahrt in vielen Bereichen, in denen sie sich dafür einsetzt, Demokratie zu stärken und menschenfeindliche Ideologien zu bekämpfen. So beteiligt sich die AWO etwa an einem besonders innovativen Programm zur demokratischen Bildung und zur Prävention gegen Menschen- und Demokratiefeindlichkeit, in dem soziale Fachkräfte außerunterrichtliche Angebote an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen im ganzen Bundesgebiet realisieren: Im Programm „Respekt Coaches“ der Jugendmigrationsdienste arbeiten Jugendliche gemeinsam an der Frage „Wie wollen wir zusammenleben?“. Das vom Bundesjugendministerium geförderte Programm richtet sich an alle Schülerinnen und Schüler an Kooperationsschulen der Jugendmigrationsdienste von der fünften Klasse bis zum 27. Lebensjahr.

Jenseits des Politikunterrichts eröffnet das Programm neue Dimensionen politisch-gesellschaftlicher Bildung. In theaterpädagogischen Workshops etwa spielen Jugendliche Konflikte aus ihrem Alltag nach und erkunden dabei verschiedene Handlungsmöglichkeiten. In musikpädagogisch angeleiteten Rap-Workshops setzen sie sich mit Themen wie Rassismus und Diskriminierungserfahrungen auseinander. Sportpädagogische Aktivitäten schaffen den Anlass, über Regeln und Fairness zu sprechen.

Seit seinem Beginn im Jahr 2018 hat sich das Programm zu einem Labor innovativer demokratischer Bildung entwickelt. Es zeigt das Potential der Zusammenarbeit zwischen den Jugendmigrationsdiensten als Einrichtungen der Jugendsozialarbeit, Trägern der politischen Bildung und vielen Engagierten. Das spiegelt sich auch in der positiven Einschätzung des Programms im 16. Kinder- und Jugendbericht im Auftrag der Bundesregierung und in der gerade abgeschlossenen Programmevaluation zweier wissenschaftlicher Institute.

Das Programm trägt zur Bildungsgerechtigkeit bei, indem es Jugendlichen die Teilnahme an attraktiven Formaten politisch-gesellschaftlicher Bildung ermöglicht, die dazu bislang kaum Zugang hatten – Jugendliche aus benachteiligten Stadtgebieten, aus Familien ohne akademischen Hintergrund, aus Elternhäusern mit begrenzten Ressourcen. Das ist umso bedeutender, als sich viele hergebrachte Angebote der außerunterrichtlichen politischen Bildung in Themen, Methoden und Sprache de facto vor allen an Jugendliche aus bildungsprivilegierten Milieus richten. [Link zum Blog-Beitrag Bildungsgerechtigkeit]

Wie jede Bildungsarbeit gründet auch die demokratische Bildung auf langfristigen und belastbaren Beziehungen – zwischen Fachkräften und Jugendlichen, zwischen Einrichtungen der AWO und den Schulen sowie zu den Bildungsträgern vor Ort. Gut qualifizierte Fachkräfte für ein so herausforderndes Programm lassen sich nur gewinnen und halten, wenn ihnen eine längerfristige Perspektive geboten werden kann. So zeigt sich im Programm Respekt Coaches wie in anderen Programmen der Demokratieförderung: Wer professionell und wirksam an den Grundlagen des Zusammenlebens in der pluralen Gesellschaft arbeiten will, braucht einen langen Atem und eine Politik, die das langfristige Engagement stärkt.

Weitere Infos:

Die AWO begleitet die 12 Wochen bis zur Wahl unter dem Motto „Deutschland, Du kannst das!“ mit sozial- und gesellschaftspolitischen Forderungen an die kommende Bundesregierung. Dieser Beitrag gehört zur Themenwoche „Vielfalt“. Mehr dazu unter: awo.org/bundestagswahl-2021.

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