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Von: Lydia Guba
Solidarität ist einer der fünf Grundwerte der AWO. Solidarität entsteht in der Gemeinschaft und bedeutet, füreinander einzustehen. Auch bei der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung wird Solidarität großgeschrieben. Denn die Beseitigung globaler Missstände und Ungerechtigkeiten ist die Verantwortung aller.
Wir konsumieren heute selbstverständlich eine Vielzahl an landwirtschaftlichen Produkten, die aus ehemals kolonialisierten Ländern im Globalen Süden importiert werden. Deren Anbau, Transport und Konsum hat große Auswirkungen auf Klima, Natur und Menschen. In der Adventszeit rückt vor allem Schokolade in das Zentrum der Aufmerksamkeit – bis zu 1,5 Millionen Kinder arbeiten in Westafrika auf Kakaoplantagen mit.
Zudem landen jedes Jahr in Deutschland circa 12 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Wir gehen verschwenderisch mit unseren Lebensmitteln um und sind prall gefüllte Obst- und Gemüseabteilungen im Supermarkt ganzjährig gewöhnt – dies zu niedrigen Preisen. Diese fehlende Wertschätzung unserer Lebensmittel ist mitunter dafür verantwortlich, dass immer weniger Menschen in der Landwirtschaft tätig sein wollen beziehungsweise können. Dabei ist Landwirtschaft die tragende Säule der Weltwirtschaft. Über eine Milliarde Menschen arbeiten in diesem Sektor. Davon leben können heute nicht mehr viele.
Ziel 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
Wenn die eigene Landwirtschaft trotz harter körperlicher Arbeit die Familie nicht ernähren kann, liegt das auch an ungerechten Welthandelsstrukturen, Landnutzungskonflikten und Auswirkungen des Klimawandels. Viele Bäuerinnen und Bauern des Globalen Südens geben auf und ziehen in die Städte, wo sie häufig keine oder nur unsichere Arbeitsbedingungen vorfinden. Aber auch in der Landwirtschaft selbst gibt es oftmals keine Arbeitsverträge, soziale Absicherung oder angemessenen Löhne. Daher lautet das Achte der 17 nachhaltigen Ziele: „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum für alle fördern“. Inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum lässt sich nur erreichen, wenn Bäuerinnen und Bauern über eine solide Existenzgrundlage verfügen, das Recht auf Arbeitsplatzsicherheit erfüllt ist und sie einen existenzsichernden Lohn erhalten.
Fairer Handel
Hier setzt der Faire Handel an. Beim Fairen Handel werden die Produkte zu fairen Bedingungen hergestellt und importiert. Im Mittelpunkt stehen die Produzent*innen, denn der Faire Handel ist mehr als Import und Vertrieb von Produkten. Er gibt den Menschen hinter den Produkten ein Gesicht.
Beim Fairen Handel gelten Preise, die von den Preisschwankungen auf dem Weltmarkt unabhängig sind. Für ihre Waren erhalten die Produzent*innen einen garantierten Mindestpreis, der deutlich über dem Weltmarktniveau liegt. Durch die Zahlung fairer Preise schafft Fairer Handel menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen und schließt illegale Kinderarbeit aus. Darüber hinaus wird für viele Produkte auch eine Fairtrade-Prämie bezahlt, über deren Verwendung die Genossenschaften selbst entscheiden und vor allem in soziale Projekte vor Ort investieren. Fairer Handel hat damit langfristige Veränderungen im Blick. Mit den Mehreinnahmen können die Mitarbeiter*innen die Ausbildung ihrer Kinder finanzieren und die Entwicklung der gesamten Gemeinschaft vorantreiben.
So helfen wir: AWO International handelt fair
AWO International macht sich seit langem für den Fairen Handel stark und vertreibt seit 2007 einen eigenen ökologisch hergestellten und fair gehandelten Kaffee. Unser AWO-Kaffee stammt vom Kooperativenverband Cosatin aus dem Departement Boaco im Hochland Nicaraguas.
Die Bäuerinnen und Bauern von Cosatin bauen kontrolliert biologischen Kaffee der Sorte Arabica an. Die Kaffeekirschen werden handgepflückt, nach aufwändigen Trockenverfahren handverlesen und speziell für AWO International abgefüllt. Eine mühsame Arbeit, für die im konventionellen Handel meist sehr niedrige Löhne gezahlt werden. Doch der Faire Handel eröffnete den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Boaco neue wirtschaftliche Perspektiven.
„Die Kooperative gibt uns Sicherheit, einen Großteil unserer Kaffeeernte sicher absetzen zu können. Durch den Fairen Handel wird ein Mehrpreis erzielt, der uns zu Gute kommt. Solange wir den Kaffee gut verkaufen können leben wir gerne auf unseren Höfen als Familie und niemand muss in die Stadt oder ins Ausland, um Geld zu verdienen“, so Nohelia Perez, Mitglied der Kooperative. Durch die gemeinsame Vermarktung ist es den Mitgliedern der Kooperative gelungen, auf ihrem Land bleiben zu können. Das ist in Nicaragua alles andere als selbstverständlich. Denn die niedrigen Kaffeepreise lassen Kaffeebäuerinnen und -bauern oft keine andere Wahl als in die Armenviertel der Städte zu migrieren. Das Geld reicht oft nicht aus, um genügend Reis, Bohnen und Mais für das Jahr zu kaufen. Und wo es nicht einmal für das Allernötigste reicht, ist auch kein Geld für Stifte und Papier. So lernen viele Mädchen und Jungen trotz offizieller Schulpflicht weder lesen noch schreiben.
Für die Kinder der Cosatin-Bauern und -Bäuerinnen ist das inzwischen anders: Sie haben ausreichend zu essen und gehen alle zur Schule. Aus dem Mehrpreis des Fairen Handels finanziert Cosatin auch Stipendien, die einigen Mitgliedern ein agrarwissenschaftliches Studium ermöglicht. Mittlerweile hat Cosatin in einigen Gemeinden Ausbildungszentren gegründet, in denen Jugendliche zu Agrartechniker*innen ausgebildet werden.
„Ein Teil des Mehrpreises, den wir im Kooperativenverband im fairen Handel erzielen, wird unmittelbar an unsere Mitglieder ausbezahlt. Wir gehen davon aus, dass diese am besten wissen wofür sie ihn benötigen. Viele Familien finanzieren damit den Schul- oder Universitätsbesuch ihrer Kinder“, erklärt Nohelia Perez.
Weltweite Gerechtigkeit: Eine gemeinsame Verantwortung
Langfristig gesehen leistet der Faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung, Armutsbekämpfung und weltweiter Gerechtigkeit. Mit Erfolg: Der Absatz von fair gehandelten Produkten in Deutschland ist in den letzten Jahren stärker gewachsen denn je. Biologisch und nachhaltig – die Deutschen kaufen zunehmend bewusst ein. Das gilt auch für Produkte aus Fairem Handel.
Immer mehr verantwortungsbewusste Konsumenten entscheiden sich für faire Produkte und gegen Ausbeutung. Mit dem Kauf von Fairtrade-Produkten leisten Konsument*innen einen wichtigen Beitrag zur Stärkung von Kleinbauernorganisationen und Beschäftigten im globalen Süden und für einen Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise. Je mehr Produkte fair produziert und konsumiert werden, umso größere Hebelwirklungen entstehen auch auf die anderen Zielsetzungen der Agenda 2030. Auch AWO International engagiert sich weiterhin in der Förderung von Produzent*innen, in der Bewusstseinsbildung sowie in der Kampagnenarbeit zur Veränderung der Regeln und der Praxis des konventionellen Welthandels.
Nachhaltiger Konsum - für Solidarität weltweit
Dieser Artikel ist im Rahmen der SDG-Kampagne, die auf die 17 Nachhaltigkeitsziele aufmerksam machen will, entstanden. Denn als Arbeiterwohlfahrt streiten wir seit jeher für eine solidarische und gerechte Gesellschaft und sind fest mit dem Gedanken der internationalen Solidarität verbunden. Wir unterstützen die Verwirklichung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung politisch und im Verband.
Mehr zur Kampagne erfahren Sie unter: https://wirarbeitendran.awo.org/