Seite drucken
Von: Christiane Völz
Offene Kinder- und Jugendarbeit ist ein wichtiger Bestandteil der sozialen Infrastruktur für junge Menschen
Die AWO fordert eine starke Offene Kinder- und Jugendarbeit. Kinder und Jugendliche brauchen freie Zeit und offene Räume auch als Ausgleich zu den an sie gerichteten Erwartungen und Herausforderungen. Diese Freiräume müssen nicht nur erhalten und gefestigt, sondern zurückgewonnen und ausgebaut werden.
Entwicklung, Bildung und Lernen finden auch in außerschulischen Zusammenhängen und auf vielfältige Weise statt. Der Deutsche Verein konstatiert in seinem Gutachten „Rechtmäßigkeit eines Verbots von Angeboten der Jugendarbeit zur Eindämmung der Corona-Pandemie“, dass alle Angebote der Jugendarbeit der Förderung der Entwicklung junger Menschen dienen und zur Selbstbestimmung befähigen sowie zu gesellschaftlichem Miteinander und zu sozialem Engagement anregen und hinführen können. In diesem Sinne sind alle Angebote der Jugendarbeit auch bildend. Und auch der 16. Kinder- und Jugendbericht beschreibt die Rolle der Jugendarbeit bei der Schaffung von Ermöglichungsstrukturen zur Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter.
Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen zur Eindämmung haben erhebliche negative Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. Die Schließung von Schulen, Sportstätten und den Angeboten der Jugendarbeit haben für sie teils weitreichende Auswirkungen auf Bildung, Gesundheit, Lebensqualität und Zukunftsperspektiven. Psychosoziale und gesundheitliche Beeinträchtigungen haben zugenommen. Kinder und Jugendliche wurden an den Debatten und Entscheidungen – die sie betreffen – zu Schließungen und (Wieder-)Öffnungen von Bildungs-, Betreuungs- und Jugendeinrichtungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene nicht beteiligt. Die Partizipationsstrukturen für junge Menschen haben den Stresstest nicht bestanden. Die Leistungen von Kindern und Jugendlichen zur Bewältigung der Pandemie haben oftmals keine Anerkennung erfahren. Gerade darum sind jetzt selbstbestimmte Zeit und Räume für Kinder und Jugendliche wichtig. Sie brauchen wieder die Möglichkeit, Themen, Orte, Begegnung und Freizeit selbst wählen und mitgestalten zu können.
Um die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen zu unterstützen und zu stärken muss die Offene Jugendarbeit mit den Jugendzentren und –clubs, mobilen und aufsuchenden Angeboten sowie Jugendfarmen und Abenteuerspielplätzen nachhaltig gestärkt werden. Die AWO fordert eine verlässliche und dauerhafte Finanzierung, um Räume, Fachpersonal und Maßnahmen für Kinder und Jugendliche anbieten und gewährleisten zu können. Mit Blick auf die kommenden Haushaltslagen und den zu erwartenden Einsparungen muss allen politisch Verantwortlichen klar sein, dass die Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII eine Pflichtaufgabe ist, die sichergestellt werden muss. Kinder und Jugendliche ernst nehmen heißt auch, ihnen niedrigschwelligen Zugang zu außerschulischen Räumen, Freizeit-, Bildungs- und Gruppenangeboten zu ermöglichen, in denen sie selbstbestimmt handeln und sein können, in denen sie aktiv mitwirken und Projekte selbst gestalten können. Einmalige Bundes-Aktionsprogramme zum Aufholen nach Corona sind hilfreich, um kurzfristig Kinder- und Jugendfreizeiten, Feste, Projekte und Bildungsangebote zu ermöglichen. Langfristig braucht die Offene Kinder- und Jungendarbeit stärker als bisher die Würdigung und Anerkennung als wichtige Sozialisationsinstanz für Kinder und Jugendliche und damit verbunden die regelstrukturelle Finanzierung. Die Kinder- und Jugendarbeit ist ein unentbehrlicher Bestandteil der sozialen Infrastruktur für das Aufwachsen junger Menschen vor Ort.
2019 gab es rund 156.700 Angebote der Jugendarbeit von öffentlichen und freien Trägern. Die AWO hat bundesweit 116 Jugendzentren bzw. zentrale Großeinrichtungen, 274 Jugendclubs, Jugend- und Stadtteiltreffs, 30 Jugendfarmen und Abenteuerspielplätze, 156 Einrichtungen und Initiativen der mobilen Jugendarbeit sowie weitere aufsuchende Angebote. In 2019 wurden durch die AWO und ihre Mitgliedsorganisationen mehr als 2.200 öffentlich geförderte Angebote durchgeführt. In mehr als 670 offenen Angeboten haben rund 18.000 Kinder und Jugendliche teilgenommen. Hinzu kommen rund 300 gruppenbezogene Angebote mit mehr als 6.400 Teilnehmenden sowie mehr als 1.240 Veranstaltungen und Projekte mit 70.500 Teilnehmenden.
Literatur:
- Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2021: Rechtmäßigkeit eines Verbots von Angeboten der Jugendarbeit zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Gutachten vom 28.01.2021.
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2020: 16. Kinder- und Jugendbericht. Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter.
Weiteres zur Bundestagswahlkampagne
Die AWO begleitet die 12 Wochen bis zur Wahl unter dem Motto „Deutschland, Du kannst das!“ mit sozial- und gesellschaftspolitischen Forderungen an die kommende Bundesregierung. Dieser Artikel wurde im Rahmen der Themenwoche „Starke Familien“ veröffentlicht. Mehr dazu unter: https://awo.org/bundestagswahl-2021