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Was ist dem Bund Gewaltschutz für Frauen wert?
Kein Geld mehr für Investitionen in Ausbau, Sanierung oder barrierefreien Umbau für Frauenhäuser und Fachberatungsstellen bei häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt: Still und leise lässt das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) das Investitionsprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ auslaufen. 30 Millionen Euro sollten 2020 - 2024 jedes Jahr zur Verfügung stehen. Eine Perspektive zur Verlängerung des Programms gibt es nicht.
“Das Ende des Förderprogramms ist eine Katastrophe. Das Hilfesystem braucht dieses Geld, um Gewaltschutzeinrichtungen auszubauen. Viele Träger konnten angesichts der Pandemie bisher noch gar keine Bauvorhaben umsetzen. Das Programm müsste also dringend mit deutlich weniger Hürden verlängert oder neu aufgelegt werden. Stattdessen wurden unsere wiederholten Hinweise zur komplizierten und langwierigen Beantragung ignoriert, und nach einer Kürzung des Programms 2023 droht nun der Stopp”, kritisiert Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt.
2020 startete das Programm bereits mit Verzögerungen, da zunächst die Verwaltungsstruktur zur Antrags-Bearbeitung aufgebaut werden musste. Zeitgleich mussten die Träger von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen neue Maßnahmen zum Infektionsschutz umsetzen und den Zugang zu Schutz und Beratung für von Gewalt betroffene Frauen unter schwierigen Bedingungen aufrechterhalten. “In diesen unsicheren Zeiten große Bauvorhaben anzugehen, war trotz des erheblichen Bedarfs am Ausbau des Hilfesystems kaum zu leisten. Frauenhausplätze sind in Deutschland noch immer Mangelware”, so AWO Präsidentin Kathrin Sonnenholzner. 2020 und 2021 wurden daher nur wenige Förderanfragen für Mittel aus dem Bundesprogramm gestellt. Die wenigen Frauenhausträger, die es dennoch wagten, waren oft konfrontiert mit komplizierten Antragsverfahren und langem Warten auf Bewilligungsentscheidungen. Entsprechende Problemanzeigen wurden von den Wohlfahrtsverbänden und Frauenhausvertretungen immer wieder an das BMFSFJ übermittelt.
2022 konnten viele Frauenhäuser und Fachberatungsstellen endlich dringend notwendige Bauvorhaben anpacken. Mehr als 20 Millionen Euro wurden bis September 2022 bewilligt. Der Aus- und Umbau von Schutzeinrichtungen für Frauen hatte Fahrt aufgenommen. Dass in den letzten Haushaltsverhandlungen das Budget für 2023 von 30 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro abgesenkt wurde, kam daher mehr als überraschend. Noch dazu gab das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben am 12.04.2023 fast unbemerkt auf seiner Internetseite bekannt, dass aktuell keine neuen Förderanfragen im Rahmen des Bundesinvestitionsprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ mehr eingereicht werden sollen bzw. diese nicht mehr berücksichtigt werden können. Das BMFSFJ und die Servicestelle konzentrierten sich auf aktuelle eingereichte Vorhaben, die sich bis zum Programmende umsetzen lassen. Das Programm wird „nach derzeitigem Stand wie geplant 2024 enden“. Somit endet das notwendige Bundesinvestitionsprogramm, bevor es richtig begonnen hat und Wirkung entfalten kann.
Eine Perspektive, ob es nach 2024 eine Fortführung des dringend notwendigen Programms gibt, ist nicht in Ansätzen erkennbar. Für die Frauenhäuser und Fachberatungsstellen wäre das ein wichtiges Signal, um frühzeitig in Planungsprozesse einsteigen zu können. Die bundesseitige investive Unterstützung für Schutzeinrichtungen und Fachberatungsstellen für Frauen kann nur als halbherzig wahrgenommen werden. Offenbar gilt das Motto: Schweigen und Aussitzen.
Für Träger von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen ist dies ein unerträglicher Zustand, da sie das volle Kosten- und Verfahrensrisiko tragen. "Die prekäre Situation von Hilfeeinrichtungen für Frauen wird so nochmal verschärft. Jeder Träger überlegt sich sehr genau, ob solch umfassende Bauvorhaben mit Fördermitteln des Bundes überhaupt angegangen werden sollen, wenn der Zugang dazu derart kompliziert, hürdenreich und unsicher gestaltet ist. Letztendlich sind gewaltbetroffene Frauen die Leidtragenden, denn für sie gibt es noch immer keine ausreichende Schutz- und Beratungsinfrastruktur”, so Kathrin Sonnenholzner.
Kontakt:
Jennifer Rotter
Pressesprecherin