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Regelfinanzierung der Bundesprogramme statt Projektfinanzierung

Drei Fragen an Martina Sommer, Mitglied im Arbeitskreis Migration, Geschäftsbereichsleiterin Migration und Integration, AWO-Kreisverband Nürnberg

1. Was sind die Migrationsfachdienste und welche Rolle haben sie in einer Einwanderungsgesellschaft?

Wer nach Deutschland einwandert, hat viele Fragen, beispielsweise „Welcher Aufenthaltstitel steht mir zu?“, „Wo kann ich meine Zeugnisse anerkennen lassen?“, „Wie finde ich Arbeit?“ Fachkräfte der Migrationsdienste der AWO geben seit über 70 Jahren Einwanderer*innen fachkundige Antworten darauf.

Die Arbeiterwohlfahrt mit ihren Migrationsfachdiensten bietet seit Jahrzehnten eine stabile Beratungsstruktur in allen Regionen Deutschlands, die den Einwander*innen den Alltag erleichtert. Die Arbeit der Beratungsstellen geschieht an der Schnittstelle zwischen Ausländerbehörden, Jobcentern, Integrationskursträgern und kommunalen Stellen und trägt wesentlich zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Migrantinnen und Migranten in den Städten und Gemeinden bei.

Die Beratungsangebote der Migrationsdienste sind eine wichtige Grundlage zur gesellschaftlichen Teilhabe von Einwander*innen und tragen damit zur Chancengleichheit bei. Sie sind eine wichtige Anlaufstelle für neue und bereits länger in Deutschland lebende Einwander*innen.

Gerade in Zeiten der Pandemie waren die AWO-Beratungsstellen oft die einzigen Ansprechpartner für Informationen zum Gesundheitsschutz, zur Arbeit, zum Wohnen, zur Schule oder zu behördlichen Angelegenheiten, weil kommunale oder staatliche Stellen nicht oder schwer erreichbar waren.

Die AWO als nicht konfessioneller Träger berät unabhängig von Herkunft, Religion und Weltanschauung. In den Beratungsstellen arbeiten interkulturell geschulte Sozialarbeiter*innen mit Sprachkenntnissen der Herkunftsländer. Dadurch entsteht eine Vertrauensbasis, um gemeinsam mit den muttersprachlichen Berater*innen Brücken in die anfangs noch fremde deutsche Gesellschaft zu bauen.

2. Was sind die Herausforderungen der AWO-Migrationsfachdienste?

Die Anzahl der Ratsuchenden in den Beratungsstellen hat sich dramatisch erhöht. Aber auch das Spektrum der Anfragen und die Art der Anliegen hat sich erweitert, so dass nicht nur die zahlenmäßigen Anforderungen an die Beratung stetig steigen, sondern auch die Themenbreite ständig wächst.

Obwohl der Bedarf an Beratung und Unterstützung von Einwander*innen zunimmt, wird die Finanzierung der Beratungsstellen immer wieder in Frage gestellt. Es drohen Zuschusskürzungen, obwohl bereits jetzt die Beratungsarbeit kaum mehr zu stemmen ist. Dies hat zur Folge, dass sich immer mehr Beratungsstellen aus der Arbeit zurückziehen müssen.

Für dieses permanent wichtige Angebot müssen zudem jedes Jahr aufs Neue Anträge gestellt werden, da es sich um eine sogenannte freiwillige Leistung handelt. Hier fehlt ein Rechtsanspruch auf Beratung.

Die AWO fordert daher: Die bestehenden Landes- und Bundesprogramme endlich zu manifestieren, eine Regelfinanzierung einzuführen, die Migrationsdienste kostendeckend zu fördern und flächendeckend auszubauen.

3. Welche Entwicklungen sind hinsichtlich der Qualität der Migrationsfachdienste aus Ihrer Sicht notwendig?

Wir sollten die Digitalisierung als Chance für neue Zugangswege zu unseren Angeboten nutzen. Während der Pandemie hat sich gezeigt, dass dies möglich und zum Teil auch sinnvoll ist. Über Nachrichtendienste und Internetportale können dann alle, besonders aber Personen, die beispielsweise alters- oder krankheitsbedingt nicht mobil sind, unsere Dienste leichter in Anspruch nehmen.

Das persönliche Gespräch wird nach wie vor das zentrale Angebot der Beratungsdienste sein. Die digitalen Angebote dienen als Ergänzung, sie machen die Zugangswege flexibler und können Barrieren abbauen.  

Zudem müssen Informationen zu Themen der Integration leichter abrufbar werden. Dies kann etwa durch Nutzung von Internetplattformen, über interaktive Websites, Messenger-Dienste und als Podcast gewährleistet werden. Hierfür sind die Beratungsstellen bei weitem noch nicht ausreichend ausgestattet. Für die Umsetzung benötigen wir die entsprechende technische Ausstattung, mehr personelle Kapazitäten und Fortbildungen für die Mitarbeiter*innen.

Die AWO begleitet die 12 Wochen bis zur Wahl unter dem Motto „Deutschland, Du kannst das!“ mit sozial- und gesellschaftspolitischen Forderungen an die kommende Bundesregierung. Dieser Beitrag gehört zur Themenwoche „Vielfalt“. Mehr dazu unter: awo.org/bundestagswahl-2021.

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