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21.07.2020 | Stellungnahmen

RBEG-2021-Referentenentwurf

Von: Ragnar Hoenig

 

Mit dem Referentenentwurf für ein Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG 2021) hat das Bundesarbeitsministerium Mitte Juli 2020 seine Vorschläge für die Berechnung der neuen Regelbedarfe ab 2021 vorgelegt. Die AWO hat die Vorschläge unter die Lupe genommen und kommt zu dem Schluss: Aus Sicht der Menschen, die auf existenzsichernde Leistungen angewiesen sind, können die Vorschläge nicht zufriedenstellen. Es muss Nachbesserungen geben.

Rechtlicher Hintergrund

Seit dem Regelsatzurteil aus dem Jahr 2010 leitet das Bundesverfassungsgericht aus der Verbindung von Menschenwürdegarantie und Sozialstaatsprinzip ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ab. Dieses Grundrecht sichert das physische und das soziokulturelle Existenzminimum durch eine einheitliche Gewährleistung. Da sich aus dem Grundgesetz aber kein konkreter Geldbetrag ableiten lässt, muss der Gesetzgeber den Anspruch auf existenzsichernde Leistungen - so das Bundesverfassungsgericht - in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht bemessen und dieses Berechnungsergebnis fortwährend überprüfen und weiterentwickeln.

Dieser verfassungsrechtliche Auftrag soll mit dem Referentenentwurf für ein RBEG 2021 umgesetzt werden. Der Entwurf orientiert sich in methodischer Hinsicht stark an den beiden vorangegangenen Regelbedarfsermittlungsgesetzen aus den Jahren 2011 und 2016. Aus Sonderauswertungen zur Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 wurden in einem ersten Schritt die einkommensschwachen Einpersonen- und Familienhaushalte ("Referenzhaushalte") identifiziert, in einem zweiten Schritt deren regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben zusammengerechnet und diese Summen in einem dritten Schritt auf ein aktuelles Preis- und Lohnniveau angehoben.

Zentrale Ergebnisse der Regelbedarfsberechnung

Für die Regelbedarfe ab dem Jahr 2021 legt das Bundesarbeitsministerium - entsprechend der letzten Regelbedarfsberechnung - bei Erwachsenen die Verbrauchsausgaben der unteren 15 % der Einpersonenhaushalte zugrunde und bei Kindern die Verbrauchsausgaben der unteren 20 % der Familienhaushalte. Da sich die Leistungen nicht nach dem Verbrauchsverhalten der Leistungsberechtigten selbst richten sollen, rechnet das Ministerium zur Vermeidung von Zirkelschlüssen die Verbrauchsausgaben der Bezieher*innen von existenzsichernden Leistungen des SGB II, SGB XII und des Asylbewerberleistungsgesetzes heraus. 

Doch die so ermittelten Verbrauchsausgaben werden nicht eins zu eins in die Regelbedarfe übernommen. Vielmehr sollen bei den Regelbedarfen nur die "regelbedarfsrelevanten" Verbrauchsausgaben berücksichtigt werden, so dass - wie bei den vergangenen Regelsatzberechnungen - erneut zahlreiche Kürzungen vorgenommen und Alternativberechnungen durchgeführt wurden. Um der Haushaltsgröße bzw. dem Alter der Leistungsberechtigten Rechnung zu tragen, soll es wieder sechs Regelbedarfsstufen geben. Außerdem sollen die Daten, die allesamt aus dem Jahr 2018 stammen, auf ein aktuelles Preis- und Lohnniveau hochgerechnet werden. Die für diese Hochrechnung erforderlichen Daten liegen allerdings erst Ende August 2020 vor, so dass sich das Ministerium im Referentenentwurf einstweilen mit dem Preis- und Lohnniveau für den 1. Januar 2020 beholfen hat. Sobald die erforderlichen Daten vorliegen, soll an dieser Stelle erneut gerechnet werden. 

Bewertung der AWO

Die vorgelegten Berechnungen für die Regelbedarfe ab 2021 können im Ergebnis nicht zufriedenstellen. Zwar werden erstmals auch die Verbrauchsausgaben für Mobilfunk bei den Regelsätzen berücksichtigt. Für viele altbekannte, von der AWO oft kritisierte Schwachstellen der Regelbedarfsberechnung wird allerdings nicht einmal im Ansatz nach besseren Lösungen gesucht. Obwohl das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber eindringlich aufgefordert hat, seine Berechnungsmethodik stetig zu überprüfen und weiterzuentwickeln, setzt der Referentenentwurf kaum neue, innovative Impulse. Er ist von einem "Weiter-so" geprägt, das die Hoffnungen vieler auf durchgreifende Verbesserungen bei der Regelbedarfsberechnung enttäuschen wird. Näheres können Sie der AWO-Stellungnahme entnehmen, die weiter unten zum Download bereitsteht.

Wie es weitergeht

Als nächstes wird sich das Bundesarbeitsministerium mit den Stellungnahmen der AWO und der anderen Verbände befassen. Der Entwurf geht dann in das Bundeskabinet und wird anschließend auf den parlamentarischen Weg gebracht. Im zweiten Halbjahr 2020 soll der Gesetzgentwurf vom Bundestag beschlossen werden. Bevor er zum 1. Januar 2021 in Kraft treten kann, muss der Bundesrat zustimmen. 

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