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Von: Judith Adamczyk und Christian Shukow
Der Fachkräfte-Radar der Bertelsmann Stiftung 2022 zeigt auf, dass 100 000 Fachkräfte in den nächsten Jahren im Ganztag fehlen werden.
Sommerferien – in mehreren Bundesländern läuft bereits die freie Zeit für Schulkinder, in anderen Ländern warten Kinder und Lehrkräfte voller Vorfreude auf die Ferien.
Nach den Ferien werden dann wieder hunderttausende Kinder eingeschult – damit stellt sich für viele Familien die Frage: wo wird mein Kind nach der Schule am Nachmittag gut betreut?
Während die Betreuung in der Kita zumeist bis in den Nachmittag gesichert war, ist das für Grundschulkinder noch nicht in allen deutschen Bundesländern selbstverständlich. Horte, offene oder gebundene Ganztagsschulen, doch der Sportverein oder gar die Kindertagespflege? Das Angebot im Ganztagsbereich ist deutschlandweit sehr heterogen, die statistische Erfassung in Teilen bisweilen immer noch schwierig, der Überblick über vorhandene Angebote vor Ort mal mehr, mal weniger zufriedenstellend.
Hinzu kommt – das Angebot kann derzeit den Bedarf der Eltern nicht umfassend decken. Die Teilhabequote schwankt zwischen 21% in Baden-Württemberg und 91% in Hamburg (DJI 2019: 7). Aufgrund der angenommenen steigenden Bedarfe werden zahlreiche neue Plätze geschaffen werden müssen, in Schulen, aber auch in Horten.
Kurz vor dem Ende der letzten Legislaturperiode wurde schließlich mit dem Ganztagsförderungsgesetz ein wichtiger Meilenstein gesetzt.
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder kommt – ab dem Schuljahr 2026/2027 soll ein verlässliches Angebot der Betreuung für Kinder im Grundschulalter vorliegen. Die Angebotsstruktur der Länder soll dabei erhalten bleiben, denn viele Strukturen, wie beispielsweise das Hortsystem in einigen ostdeutschen Bundesländern hat sich als erfolgreich und den Bedarfen der Familien angemessen gezeigt.
Alles gut soweit also?
Ein Problem gibt es: die Fachkräfte fehlen. Der jüngst veröffentlichte Fachkräfte-Radar der Bertelsmann-Stiftung beziffert den Bedarf auf über 100 000 fehlende Fachkräfte für eine flächendeckende und personell gut ausgestattete Ganztagsförderung bis 2030.
Dabei handelt es sich um ein bekanntes Problem, vor dem von verschiedenen Akteuren im Sozial- und Wohlfahrtsbereich seit Langem gewarnt wird: der Fachkräftemangel im Sozial- und Bildungsbereich. Das Arbeitsfeld Kita ist in dieser Analyse der Bertelsmann-Stiftung noch gar nicht hinzugezählt. Auch hier fehlen bereits heute Fachkräfte, bis 2030 soll sich die Lücke auf etwa 230 000 Fachkräfte belaufen (Bertelsmann Stiftung 2021). Die Pandemie hat das Arbeitsfeld zusätzlich enorm geschwächt.
Der Bedarf an Fachkräften kommt dabei nicht ohne die Frage nach Qualität aus – ohne Fachkräfte gibt es keine Qualität, ohne eine Qualitätsoffensive wird das Feld keine neuen Fachkräfte gewinnen können. Wenn es um die Voraussetzung für die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsförderung geht, ist eine qualitative Ganztagsförderung in den Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und in der Schulkindbetreuung ohne geeignete Fachkräfte undenkbar.
Der AWO Bundesverband setzt sich seit vielen Jahren für eine verbesserte Qualität in der Kindertagesbetreuung und im Bereich Ganztag ein.
Die Frage der Qualität muss dabei endlich zielgerichtet von Bund und Ländern angegangen werden – denn: Qualitätskriterien sind im Ganztagsförderungsgesetz noch nicht formuliert.
Qualität als Voraussetzung der geplanten Umsetzung des Ganztags muss endlich von Bund und Ländern ernstgenommen werden. Die Menge an fehlendem Personal für die Umsetzung eines guten Ganztags erfordert in den kommenden Jahren vielfältige Strategien der Fachkräftegewinnung. Ein wesentlicher Hebel dafür ist aber auch die qualitative Steigerung der Arbeitsorganisation. Das Arbeitsfeld muss attraktiver werden, damit sich die Mitarbeiter*innen dem Ziel eines guten Ganztags letztlich mit einem guten Gefühl bei der Arbeit freier widmen können: dieses Ziel ist eine hochwertige Bildung für alle Kinder anzubieten und somit die Schaffung von Chancengerechtigkeit zu fördern.
Kontakt:
Judith Adamczyk
Referentin für Bildung und Erziehung / Kindertageseinrichtungen