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AWO zur „Nacht der Solidarität“.
Heute werden erstmals in Berlin „in einer Nacht der Solidarität“ obdachlose Menschen gezählt und befragt, die nachts auf der Straße schlafen. Berlin wird auf Grundlage der Zahlen, die im Februar erwartet werden, seine Hilfs- und Beratungsangebote ausweiten und spezialisieren.
Der AWO Bundesverband begrüßt das Vorgehen der Stadt Berlin außerordentlich.
Dazu erklärt Brigitte Döcker, Mitglied des AWO Bundesvorstandes: „Das 2019 auf den Weg gebrachte und inzwischen vom Deutschen Bundestag verabschiedete Wohnungslosenberichterstattungsgesetz ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Darin werden aber nur Menschen ohne gültigen Mietvertrag erfasst, die in Notunterkünften untergebracht sind. Auf der Straße lebende Obdachlose bleiben darin unberücksichtigt.
Der AWO Bundesverband fordert seit vielen Jahren eine bundesweite Wohnungslosenstatistik aller wohnungslosen Menschen, ob in Einrichtungen, vorübergehend bei Freunden, Bekannten und Verwandten untergekommen oder auf der Straße lebend. Je genauer die erfasste Anzahl der insbesondere auf der Straße lebenden Menschen und ihrer individuellen Lage ist, desto besser können entsprechende Hilfen organisiert werden. Beispielsweise brauchen obdachlose Frauen mit Kindern besondere Angebote, Menschen mit Behinderungen sind auf barrierefreie Einrichtungen angewiesen, und für Obdachlose mit geringen Deutschkenntnissen müssten Dolmetscher in der Straßensozialarbeit eingesetzt werden. Dem Beispiel Berlins müssen aus Sicht der AWO weitere Bundesländer folgen, um diese Menschen nicht durch die Lücken des Systems fallen zu lassen. Wir können und dürfen es uns als wohlhabende Gesellschaft nicht leisten, diese Menschen zu ignorieren.“
Döcker betont aber auch: „Diesem ersten wichtigen Schritt des Zählens müssen weitere Schritte folgen. Die zunehmende Wohnungslosigkeit in den Städten ist auch eine direkte Folge wohnungsbaupolitischer Fehlentscheidungen, z.B. des starken Rückgangs des sozialen Wohnungsbaus, der jetzt mühsam wieder in Gang gebracht werden muss. Wenn Wohnraum zum Luxusgut wird und soziale Anlaufstellen weichen müssen, gibt es eine grundsätzliche Schieflage in unserer Gesellschaft. Die aus den Zählungen gewonnenen Erkenntnisse dürfen deshalb nicht nur zur Linderung von Symptomen genutzt, sondern müssen als deutliches Signal zunehmender sozialer Ausgrenzung mit langfristigen Folgen für die Menschen verstanden werden.“
AWO-Positionspapier "Wohnen.Menschen.Recht. Wohnraum ist Lebensgrundlage und keine Ware." (PDF)
Hintergrund:
Nach Paris und New York ist Berlin die erste deutsche Stadt, die eine solche Zählung vornimmt. Etwa 3.700 ehrenamtliche Helfer werden in dieser Nacht in 500 Teams unterwegs sein und obdachlose Menschen erfassen. Die Senats-Sozialverwaltung, die die Zählung organisiert hat, will auch wissen, welche Sprache die Obdachlosen sprechen, wie viele Frauen und Minderjährige darunter sind.
Kontakt:
Jennifer Rotter
Pressesprecherin