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Von: Kitty Thiel
Stellungnahme des AWO Bundesverbands e.V. zum Gesetzesvorhaben
Das Vorhaben ein modernen Staatsangehörigkeitsrechts, das den Erfordernissen eines modernen Einwanderungslandes Rechnung trägt, zu schaffen, begrüßt die AWO sehr. Seit Jahren ist der Anteil von Einbürgerungen im Verhältnis zu der seit mindestens zehn Jahren in Deutschland lebenden ausländischen Bevölkerung dauerhaft auf niedrigem Niveau. Das ist für eine Demokratie ein problematischer Befund. Mit dem neuen Gesetzesvorhaben soll nun ein Mehr an Demokratie und ein Mehr an Partizipation und Teilhabe erreicht werden. Mit der Verkürzung der Aufenthaltszeiten soll zudem ein Anreiz der schnelleren “Integration” geschaffen werden.
Neben den positiven Anpassungen, wie
- die generelle Zulassung von Mehrstaatigkeit
- der Wegfall der Optionsregelung beim Ius-soli Erwerb
- die Kürzung der Aufenthaltszeiten bei der Anspruchseinbürgerung und der Ius-Soli_regelung
- die Erleichterungen für die “Gastarbeiter*innengeneration”
- und die Härtefallklausel für den Sprachnachweis
sieht der Referentenentwurf auch einige Verschlechterungen vor, wie
- die Streichung der Ausnahmeregelung (bis auf die Ausnahme der nicht vollständigen Lebensunterhaltsicherung trotz Vollzeitarbeit)
- und bei den Ausschlussgründen
Grundsätzlich positiv zu bewerten ist die Hinnahme der Mehrstaatigkeit. Sie wird dabei nicht mehr als Hindernis für die Bindung an Deutschland gesehen. Wir glauben, dass mit der uneingeschränkten Hinnahme der Mehrstaatigkeit das Ziel, die Angleichung des Wohnvolks und des Wahlvolks, erreicht werden kann.
Wir begrüßen ausdrücklich die Kürzungen bei den Aufenthaltszeiten. Damit nähern wir uns dem europäischen Standard an und stärken die Teilhabe.
Die Erleichterungen der Einbürgerung der ersten Einwanderungsgeneration, der sogenannten Gastarbeiter*innen und Vertragsarbeiter*innen begrüßen wir als pragmatische und angemessene Regelung. Der Verzicht der Sprachprüfung hin zu einem Nachweis der Verständigungsmöglichkeit berücksichtigt die Lebensrealität vieler Gastarbeiter*innen, die nach Ihrer Ankunft keinen Zugang zu einem Deutschkurs oder Integrationskurs hatten. Ihre Leistungen zum heutigen Deutschland würden damit, wenn auch sehr spät, gewürdigt werden. Wir sind es dieser Generation schuldig und halten daran fest.
Die neue Ausnahmeregelung bei der Anspruchseinbürgerung lehnen wir hingegen strikt ab. Sie ist diskriminierend, eventuell verfassungswidrig und unnötig. Der Entwurf sieht vor, Person von der Einbürgerung generell auszuschließen, wenn sie Sozialleistungen beziehen, auch wenn sie den Bezug der Sozialleistungen nicht selbst zu vertreten haben. Ausgenommen sind nur Personen, die trotz Vollzeitarbeit den Unterhalt für die Familie nicht sichern können. Von der Einbürgerung ausgeschlossen wären z.B. Alleinerziehende, pflegende Angehörige, Menschen mit einer Behinderung oder ältere Menschen, die einer Vollzeitarbeit nicht oder nicht mehr nachgehen können. Diese Regelung muss wieder gestrichen werden – für eine gelungene Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts empfehlen wir, dass die Ausnahmeregelung weiter gefasst wird, damit auch wertvolle wirtschaftlich noch nicht anerkannte Arbeiten berücksichtigt werden.
Wir erwarten mit den Anpassungen eine Beschleunigung des Einbürgerungsverfahrens und eine Entlastung der Behörden. Mit den so gewonnenen Ressourcen können auch mehr Einbürgerungsverfahren bewältigt werden. Allerdings befürchten wir weiterhin eine sehr restriktive Handhabung der Einbürgerungsregelungen. Die vielerorts noch herrschende Meinung, Deutschland sei kein Einwanderungsland, könnte die Ziele dieses Gesetzesvorhabens gefährden. Daher sollte dieses Gesetzesvorhaben mit Einbürgerungskampagnen begleitet werden.