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Von: Antje Helbig
Für viele Jugendliche geht in diesen Wochen ihre Schulzeit zu Ende, der Übergang in eine neue Lebensphase gestaltet sich unter dem Eindruck des letzten Jahres für viele besonders schwer!
Die Kontaktbeschränkungen waren insbesondere für Kinder und junge Menschen, die für ihre Entwicklung und ihr Wohlbefinden im hohen Maße soziale Kontakte und Interaktion benötigen, besonders herausfordernd und hatten vielfach Auswirkungen auf deren psychosoziale Entwicklung. Abhängig von unterschiedlichen Bewältigungsstrategien und -möglichkeiten, konnten Familien mehr oder weniger gut mit der Situation und den Folgen umgehen.¹
Hierbei, und das ist wenig überraschend, waren genau diejenigen, die schon vor der Pandemie belastet waren, stärker benachteiligt ². Damit wird jetzt schon deutlich, dass sich die soziale Ungleichheit durch die Pandemie weiter verschärft hat!
Nicht alle jungen Menschen hatten im Lockdown die Unterstützung durch Eltern oder andere Unterstützer*innen, die sie benötigt hätten, und nicht alle verfügten über die notwendige Technik und digitale Kompetenzen um mithalten zu können. Auch Berufsberatung und Berufsorientierung über Praktika waren im letzten Jahr schwer zugänglich. Manche Jugendliche sind im letzten Jahr einfach abgetaucht, wenig Verbindung und Feedback im Distanzlernen konnten sie auf Dauer nicht erreichen.
Gleichzeitig verringert sich nicht erst seit der Pandemie die Zahl der ausbildenden Betriebe, die eine hohe Integrationswirkung am Übergang Schule-Beruf haben.
Die AWO Einrichtungen am Übergang Schule-Beruf haben die Jugendlichen auch während der Pandemie nicht alleine gelassen. Wo keine Gruppenmaßnahmen möglich waren, haben die Fachkräfte mit den jungen Menschen telefoniert, gechattet, sie mit Abstand getroffen oder haben Beratungen im Freien/beim Spaziergang durchgeführt. Sie haben immer wieder nachgefragt, Einzelunterricht gegeben, die Jugendlichen teilweise besucht, Lernmaterialien vorbeigebracht und erläutert. Dabei wurden sie immer wieder gefragt, was sie brauchen, es wurde mit Eltern gesprochen, viel zugehört, ermutigt, getröstet und bei Konflikten vermittelt und vieles mehr.
Was wir jetzt brauchen:
- Die Jugendlichen brauchen eine Perspektive! Sie brauchen weiterhin Menschen, die Ihnen zuhören, für sie da sind, wenn niemand sonst da ist, sie nicht alleine über ihren Lernerfolg definiert, sie auf allen Ebenen fördert und ja, natürlich auch fordert! Wenn das eigene soziale Umfeld (vorrübergehend) dazu nicht in der Lage ist, muss diese Arbeit von Fachkräften ausgeführt werden. Soziale Arbeit ist Beziehungsarbeit!
- Dafür brauchen wir motivierte, fair bezahlte Fachkräfte, die Arbeitsbedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen ihre Arbeit über viele Jahre erfolgreich durchzuführen. Dazu gehören unbefristete Beschäftigungsverhältnisse, realistisch bemessene Personalschlüssel, Fort- und Weiterbildungen, interdisziplinäre Teams, die Möglichkeit von Supervision. All dies muss selbstverständlich refinanziert werden. Soziale Arbeit muss uns was wert sein!
- Schließlich brauchen Betriebe, die ausbilden und Maßnahmen am Übergang Schule-Beruf, die passgenau auf die individuellen Bedarfe der Jugendlichen reagieren können. Maßnahmen, die - unabhängig davon, ob Eltern durch das Jobcenter, die Arbeitsagentur oder gar nicht unterstützt werden - den Jugendlichen bei Bedarf über einen längeren Zeitraum Unterstützung ermöglichen. Möglichst durch eine Betreuungsperson ihrer Wahl. Hierbei ist auch die Jugendhilfe mit ihren besonderen Kompetenzen und der in ihr liegenden Logik gefragt - es geht im jungen Alter um Persönlichkeitsentwicklung! Stop- and- Go Förderungen, eine Abrechnung von Maßnahmen über Stundenkontingente und die derzeitige Ausschreibungspraxis sind hier wenig hilfreich! Jugendliche brauchen verlässliche Rahmenbedingungen!
Weiterführende Informationen zum Thema
Zeitschrift Dreizehn des Kooperationsverbunds Jugendsozialarbeit: Jugendsozialarbeit trotz(t) Krise –Auswirkungen der Coronapandemie auf die Jugendsozialarbeit und ihre Zielgruppen“
Quellen
1. Leopoldina Stellungnahme "Kinder und Jugendliche in der Coronavirus-Pandemie: psychosoziale und edukative Herausforderungen und Chancen". Zum PDF.
2. Auszug aus dem Datenreport 2021 (PDF) des WZB (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung)
Weiteres zur Bundestagswahl
Die AWO begleitet die 12 Wochen bis zur Wahl unter dem Motto „Deutschland, Du kannst das!“ mit sozial- und gesellschaftspolitischen Forderungen an die kommende Bundesregierung. Dieser Artikel wurde im Rahmen der Themenwoche „Soziale Gerechtigkeit“ veröffentlicht. Mehr dazu unter: https://awo.org/bundestagswahl-2021