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Von: Christiane Völz
Zur Situation von Jugendlichen und jungen Frauen in Frauenhäusern und/oder in der Beratung
Wie ist die Verbleibsituation von jugendlichen Kindern, wenn ihre Mütter Zuflucht vor häuslicher Gewalt im Frauenhaus suchen? Insbesondere dem Wunsch von männlichen Jugendlichen ab 14 Jahren, weiterhin mit der Mutter zusammenzuleben, kann in vielen Frauenhäusern nicht entsprochen werden. Auch im Beratungskontext bedarf es einer neuen Sicht auf die jungen Menschen, die wie ihre Mütter, Unterstützung und Begleitung im Umgang mit den erfolgten Gewalterfahrungen benötigen. Junge Frauen, die – teils bereits mit eigenen kleinen Kindern – vor der Familie oder dem Partner ins Frauenhaus flüchten, stellen eigene – teils neue – Anforderungen an die Zusammenarbeit in Frauenhäusern und in der Beratung. Eine gezieltere Begleitung und Beratung zu mehr Selbständigkeit und der Entwicklung einer eigenen Lebensperspektive sind wesentliche Unterstützungsaufgaben.
Jugendliche und junge Menschen befinden sich in einer besonderen Entwicklungsphase mit spezifischen Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen. Neben den körperlichen Veränderungen werden in dieser Phase Bildungsentscheidungen getroffen, Freundschaften und Paarbeziehungen entstehen. Die Ablösung vom Elternhaus mit der Entwicklung einer eigenen selbständigen Lebensperspektive findet statt. Häusliche Gewalt ist zu diesen Übergangsanforderungen ein zusätzlicher bedrohlicher Stressor und wirkt auf diese persönliche Entwicklung ein. Zu deren Bewältigung benötigen sie Beziehungsangebote anderer Jugendlichen und Erwachsenen sowie Unterstützung weiterer Sozialisationsinstanzen wie zum Beispiel Schule, Medien und Jugendhilfe.
Gerade weil Frauenhäuser und Fachberatungsstellen nicht der Jugendhilfe zugeordnet sind, hier aber jedes Jahr mehrere tausend Kinder und Jugendliche mit ihren Müttern bzw. junge Frauen Schutz und Hilfe erhalten, war die Absicht, im Rahmen eines Workshops erste wichtige Erkenntnisse um Bedürfnisse und Bedarfslagen von jungen Menschen mit häuslicher Gewalterfahrung zu gewinnen. Neben der Verbleibsituation junger Menschen im Falle häuslicher Gewalt und ihren spezifischen Bedarfen wurde auch die arbeitsfeldübergreifende Zusammenarbeit von Frauengewaltschutz und Jugendhilfe zum Gegenstand der Sondierung.
Um den unterschiedlichen Bedürfnissen der jungen Menschen zu entsprechen, braucht es neben der vorhandenen Professionalität und Sensibilisierung auch entsprechende räumliche und weitere personelle Ressourcen. Die Notwendigkeit der Weiterentwicklung der derzeitigen Konzepte für die Antigewaltarbeit in den Frauenhäusern und den Beratungs- und Interventionsstellen wurde offensichtlich. Dazu wurden Vernetzung und erweiterte Kooperationsbeziehungen als notwendige Bausteine für eine jugendgerechte Frauenhausarbeit benannt. Die Erfahrungen in der arbeitsfeldübergreifenden Zusammenarbeit zeigen, dass trotz Kooperationsbedarf noch allzu oft eine bessere Abstimmung nötig ist. Wie die Ergebnisse des hier dokumentieren Workshops zeigen, gibt es noch viele Leerstellen und Handlungsbedarfe.
Über Mittel aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes hat der AWO Bundesverband die Möglichkeit und den Auftrag erhalten, vertieft zur Situation junger Menschen mit häuslicher Gewalterfahrung zu arbeiten. Im Rahmen des Kooperationsverbunds Jugendsozialarbeit hat der AWO Bundesverband die Federführung für dieses Schwerpunktthema übernommen. Mit der vorliegenden Dokumentation wird die Situation von Jugendlichen und jungen Frauen in Frauenhäusern und/oder in der Beratung erfahrungsbasiert dargestellt.