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Von: Katharina Vogt
Sollen Flüchtlinge ihre Familien nach Deutschland nachholen dürfen? Die AWO sagt: Natürlich! Katharina Vogt, Referentin für Flüchtlingspolitik beim AWO Bundesverband, erklärt, warum:
Eigentlich ist alles ganz einfach: Wir finden, dass jeder Mensch ein Recht auf Familie hat. Deshalb treten wir dafür ein, dass Familien zusammenleben dürfen. Seit das Recht auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte bis März 2018 ausgesetzt wurde, ist dieses Recht auf Familienleben in einer ungerechtfertigten Weise eingeschränkt.
Die Bilder von überladenen maroden Booten auf dem Mittelmeer sehen wir wöchentlich im Fernsehen. Viele dieser verzweifelten Menschen haben ein Recht auf Familiennachzug.
Familien haben Anspruch auf Schutz
Die Haltung der AWO ist dabei gar nicht wirklich außergewöhnlich. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stellt die Familie unter einen besonderen Schutz (Art. 6, Absatz 1 GG) und sogar die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte besagt: „Die Familie ist die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat.“ (Art. 13 Nr.3).
Man könnte einwenden, dass auch subsidiär geschützte Menschen ihre Familien nach einer Frist von zwei Jahren nachholen dürfen. Aber diese Frist ist viel zu lang. Die reguläre Prozedur des Familiennachzugs auch für nach der Genfer Konvention anerkannte Flüchtlinge dauert oft schon eineinhalb Jahre. Bis man einen Termin bei der Botschaft erhält und alle notwendigen Papiere beisammen sind, braucht es erfahrungsgemäß sowieso viel Zeit.
Die langen Trennungen belasten schwer
Die zusätzliche Wartezeit für subsidiär geschützte Flüchtlinge bis zum Stichtag im März 2018 ist eine ungerechte unmenschliche Härte. Sie führt zu immer mehr Fällen, in denen subsidiär geschützte Flüchtlinge von ihren Familienmitgliedern über Jahre dauerhaft getrennt sind. Diese Trennungen führen zu großer Verzweiflung und psychisch sehr belastenden Situationen. Diese Menschen haben sich darauf verlassen, dass sie nach dem 16. März 2018 endlich ihr Recht auf Familieneinheit wahrnehmen und ihre Angehörigen bald darauf in die Arme schließen können. Eine erneute Verlängerung, ein neuer Stichtag oder eine individuell geltende Frist wäre für diese Menschen eine Katastrophe.
Es steht aber weit mehr auf dem Spiel als ein Recht auf Familie: Wer sich dagegen ausspricht, dass Menschen ihre Familien nachholen dürfen, gefährdet Leben. Denn der Familiennachzug von anerkannten Flüchtlingen ist eine der wenigen legalen und ungefährlichen Einreisemöglichkeiten für schutzbedürftige Menschen. Erfahrungsgemäß halten die Regelungen für den Familiennachzug die Menschen nicht davon ab, die Familie mit allen Mitteln – ob legaler oder illegaler Migration – zusammen zu führen. Sie begeben sich dabei nicht selten in die Hände von kriminellen Mittlern und in große Lebensgefahr. Die Bilder von überladenen maroden Booten auf dem Mittelmeer sehen wir wöchentlich im Fernsehen. Viele dieser verzweifelten Menschen haben ein Recht auf Familiennachzug.
Wer um die Familie bangt, kann nicht lernen
Es steht aber auch auf dem Spiel, ob Menschen, die sich hier integrieren sollen, eine echte Chance erhalten. Ein*e Geflüchtete*r, der*die sich verzweifelt um die Ehepartner*in und die Kinder sorgt und über Monate hilflos abwarten muss, kann sich schwerlich darauf konzentrieren z.B. deutsch zu lernen und ein aktives Mitglied der Gesellschaft zu werden. Das aber wird von allen erwartet.
Wer noch immer das Schreckensbild eines unkontrollierten Flüchtlingsstroms durch den Familiennachzug malt, spielt fahrlässig mit dem Leben von Menschen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat bereits seine Prognosen nach unten korrigiert. Und das Forschungsinstitut der Bundesanstalt für Arbeit, legte nach einer repräsentativen Umfrage unter Geflüchteten Zahlen vor, nach denen für subsidiär Schutzbedürftige nur etwa 50.000 bis 60.000 Nachzüge zu erwarten wären.
Wer also jetzt noch immer das Schreckensbild eines unkontrollierten Flüchtlingsstroms durch den Familiennachzug malt, spielt fahrlässig mit dem Leben von Menschen. Die AWO setzt sich deshalb seit langer Zeit für eine Beschleunigung und Vereinfachung der aufwendigen und komplizierten Verfahren ein. Denn wenn Geflüchtete ihre Familie nachholen können, ist Deutschland nicht in Gefahr. Wohl aber sind ein paar Menschen mehr in Sicherheit.
Recht auf Familie für Menschen nach der Flucht
Kontakt:
Katharina Vogt
Referentin für Flüchtlingspolitik