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Die folgenden FAQ sollen einen ersten Überblick über das Beihilfeverbot liefern. Besondere Beachtung finden dabei die für die Freie Wohlfahrtspflege oft praxisrelevanten Ausnahmen durch die De-minimis und DAWI-De-minimis Verordnungen.
Grundsätzlich dient das Beihilfeverbot dazu, innereuropäische Marktverzerrungen durch staatliche (Teil-)Finanzierung oder Bezuschussung von Unternehmen zu ver-meiden. Damit soll ein möglichst frei zugänglicher europäischer Markt gewährleistet werden.
Das europarechtliche Beihilfeverbot wirkt ins deutsche Recht hinein. Daher sollte es im Kontext von zuwendungs- und vergaberechtlichen Angelegenheiten immer zumindest mitgedacht werden.
Nachfolgende FAQ sollen allgemeine Informationen bieten und das Problembewusstsein schärfen, können aber Einzelfallprüfungen nicht ersetzen.
Das Beihilfeverbot ergibt sich aus Art. 107 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV). Grob zusammengefasst, verbietet es staatliche Beihilfen an Unternehmen, die diese Begünstigen und dadurch den europäischen Wettbewerb verfälschen. Bei einem Verstoß ist ein zugrundliegender Vertrag regelmäßig nichtig, da er nach § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Außerdem können Schadensersatzforderungen nach § 9 UWG drohen. Findet das Beihilfeverbot Anwendung, muss die Begünstigung durch den Beihilfegeber nach Art. 108 Abs. 3 AEUV bei der Kommission gemeldet werden. Dann wird sie auf ihre Zulässigkeit geprüft und kann ggf. untersagt werden. Die Feststellung, ob das Beihilfeverbot anwendbar ist, obliegt regelmäßig dem Beihilfegeber*innen. Jedoch ist auch für den Beihilfenehmer*innen eine Prüfung zum eigenen Schutz unerlässlich.
Wenn folgenden Merkmale kumulativ vorliegen, trifft das Beihilfeverbot auch AWO Gliederungen:
- Beihilfe
- Unternehmen
- selektive Begünstigung
- Wettbewerbsverfälschung
- Zwischenstaatlichkeit
- keine Ausnahmen
Unter Beihilfen versteht man staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte, geldwerte Vorteile, die ohne Rechtspflicht des Staates gewährt werden. Der Begriff ist dabei weit auszulegen und kann zumindest bei Geldleistungen regelmäßig und unproblematisch bejaht werden. Auch andere Hilfen, wie beispielsweise Steuervergünstigungen oder staatliche Darlehn, können als Beihilfe gelten. Auch mittelbare Beihilfen, die beispielsweise durch Stiftungen ausgeschüttet werden, fallen hierunter.
Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne ist jede Einrichtung, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform und von der Art ihrer Finanzierung. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht unbedingt erforderlich, so dass auch gemeinnützige Einrichtungen Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne sein können. Die Entgeltlichkeit stellt keine Voraussetzung, sondern nur ein Indiz für die Einzelfallabwägung dar. Entscheidend ist, ob eine Tätigkeit ausgeübt wird, für die es einen Markt gibt, in dem mehrere Teilnehmer*innen in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Dies kann auch bei Einrichtungen der Fall sein, die soziale Dienstleistungen erbringen. Die Entscheidung ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, muss dabei für jedes ausgeführte Tätigkeitfeld einzeln vorgenommen werden. Insbesondere bedarf es hier einer qualifizierten Abgrenzung zur Ausübung originär hoheitlicher Befugnisse. Zu dieser Abgrenzung gibt es gerade im sozialen Bereich eine Vielzahl an Kommissionsentscheidungen. Vor diesem Hintergrund erfordert die Antwort auf die Frage, ob ein Unternehmen vorliegt, stets eine Einzelfallprüfung.
Unter Begünstigung versteht man jeden selektiven Vorteil gegenüber anderen. Dabei muss dieser Tatbestand regelmäßig bejaht werden, wenn das Unternehmen einen Wert ohne adäquate Gegenleistung erhält.
Im Fall der Klage des Nahverkehrsanbieters Altmark Trans hat der EuGH die Grenzen für das Merkmal der Begünstigung definiert. Es liegt danach keine Begünstigung vor, soweit der Staat nur eine Gegenleistung für die Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung erbringe.
Insoweit wurden folgende Kriterien durch den EuGH festgelegt:
- die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen des Unternehmens sind hinreichend klar definiert,
- die Parameter für einen möglichen Ausgleich sind vorab objektiv und transparent festgelegt worden,
- der Kostenausgleich ist angemessen für die Kostenerfüllung (auch angemessener Gewinn ist erhalten) und
- die Kosten sind im Bereich eines durchschnittlichen Unternehmens anzusiedeln.
Was unter gemeinwirtschaftlichen Interessen oder auch sogenannten Dienstleistungen im allgemein-wirtschaftlichen Interesse (DAWI-Dienstleistungen) zu verstehen ist, bleibt leider im Einzelfall rechtlich oft strittig (siehe Frage 10).
Nicht alle Tätigkeiten der Freien Wohlfahrtspflege fallen nach aktueller Rechtslage unter den Begriff der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung. Es kann daher nicht generell von einem entsprechenden Ausschluss ausgegangen werden und muss stets im Einzelfall geprüft werden.
Eine Wettbewerbsverfälschung liegt bereits bei jeder Verstärkung der Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Unternehmen vor, da von Art. 107 Abs. 1 AEUV auch bereits die drohende Verfälschung mit umfasst ist.
Hier wird jede Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten erfasst. Das OLG Nürnberg hat in seiner Entscheidung vom 21.11.2017 (Az. 3 U 134/17) zur staatlichen Unterstützung eines Altenheims Ausnahmen für Beihilfen mit rein lokaler Bedeutung herausgearbeitet. Die Voraussetzungen hierzu sind jedoch äußerst streng gesetzt und umfassen kumulativ ein örtlich geprägtes Einzugsgebiet, das Fehlen einer tatsächlichen grenzüberschreitenden Nachfrage einer Leistung und eine fehlende Erschwerung am Markt für bestehende andere Unternehmen. Nur in seltenen Ausnahmefällen werden all diese Voraussetzungen gleichzeitig zu bejahen sein. Bereits ein*e potenzielle*r Mitbewerber*in aus dem EU-Ausland reicht für die Zwischenstaatlichkeit aus.
Liegen die oben genannten Voraussetzungen kumulativ vor, kann das Beihilfeverbot trotzdem ausscheiden, wenn eine der folgenden Ausnahme besteht. Besonders bekannt und praxisrelevant sind dabei die De-minimis Beihilfen sowie die DAWI-De-minimis Beihilfen. Im Überblick gibt es folgende Ausnahmen:
- Allgemeine De-minimis
- DAWI-De-minimis
- Ausnahmen Art. 106 Abs. 2 S. 1 Art 14 AEUV
- Bereichsausnahmen Art 107 Abs. 2 AEUV
- Ermessensausnahmen Art. 107 Abs. 3 a)-d) AEUV
- Freistellungsverordnungen Ar. 107 Abs. 3 e) AEUV
Beide De-Minimis-Verordnungen spielen in der Praxis der Freien Wohlfahrtspflege eine große alltägliche Rolle. Sie sollen Beihilfen im niedrigen finanziellen Rahmen erlauben, wenn grundsätzlich maximal von einer nur marginalen Wettbewerbsverzerrung ausgegangen werden kann. Hier soll den Mitgliedsstaaten unbürokratisch Handlungsspielraum überlassen und die Kommission von der Prüfung zahlreicher Marginalfälle entlastet werden. Abgestellt wird dabei jeweils auf einen Maximalwert an Beihilfe, den sogenannten Schwellenwert. Dieser bildet die Höhe der Beihilfen, die das betroffenen Unternehmen in den letzten drei Steuerjahren insgesamt erhalten hat, ab und darf eine gewisse Summe nicht überschreiten.
Werden solche Kleinstbeihilfen bewilligt, sind Beihilfegeber*innen – also regelmäßig der Staat – zu keinerlei Meldung an die Kommission verpflichtet. Zudem müssen Beihilfeempfänger*innen ausdrücklich auf die Art der Beihilfe hingewiesen werden und ihnen muss eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt werden. Wichtig für den Beihilfeempfänger*innen ist es, die Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren für diese Bescheinigungen zu beachten. Zudem müssen die alten Bescheinigungen, bei jeder erneuten Beantragung von De-minimis-Beihilfen für den relevanten Zeitrahmen nachgewiesen werden. Verstöße sind als Subventionsbetrug nach § 264 StGB strafbar.
Die allgemeine De-minimis Verordnung sieht keine spezifischen Voraussetzungen für die Art der Beihilfe vor. Sie stellt also einen Auffangtatbestand für alle niedrigen Beihilfen dar, die unter keine der anderen folgenden Ausnahmen fallen. Der Schwellenwert beträgt hier in der Regel 200.000 € für die letzten drei Steuerjahre.
Für die DAWI-De-minimis Beihilfen gelten zum Großteil die eben dargestellten Grundsätze der allgemeinen De-minimis-Beihilfen. Details sind in der DAWI-De-minimis-Verordnung geregelt.
Sie unterscheidet sich jedoch von den allgemeinen De-minimis Beihilfen durch ihren engeren Anwendungsrahmen und ihren höheren Schwellenwert.
Die Abkürzung DAWI steht für „Dienstleistungen im allgemein-wirtschaftlichen Interesse“. Was dahinter steht, ist rechtlich schwer zu fassen und oft schwierig festzustellen. Ob eine DAWI Dienstleistung vorliegt, steht dabei grundsätzlich im Ermessen der nationalen Behörde. Als europarechtlicher Rahmen werden nur das Vorliegen des sogenannten Gemeinwohlgedankens und ein nationaler Betrauungsakt vorausgesetzt. Die Dienstleistung darf also nicht vornehmlich Privat- oder Partikularinteressen vertreten, sondern muss im Wohle der Bürger*innen und dem Interesse der Gesellschaft liegen. Der EuGH hat versucht, sich dem Begriff in seiner Entscheidung zum Nahverkehrsanbieter Altmak Trans zu nähern (siehe auch Frage 5). Die Kommission hat im Nachgang durch ihre Mitteilung EU 2012 C 8/02 sowie ihren Beschluss 2012/21/EU versucht, den Begriff klarer zu definieren. Danach muss der Betrauungsakt dann ausdrücklich und transparent die Gemeinwohlaufgaben umreißen. Als Schwellenwert sind dann jedoch regelmäßig 500.000 € vorgesehen.
Wann die Freie Wohlfahrtspflege solche DAWI-Dienstleistungen erbringt, bleibt rechtlich oft schwierig zu werten. Es gibt dazu eine Vielzahl an Einzelentscheidungen. Im Ergebnis bedarf es daher stets einer Prüfung im Einzelfall.
Eine weitere Ausnahme zum Beihilfeverbot ergibt sich aus § 106 Abs. 2 AEUV „für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind“.
Insoweit muss zunächst, wie bei den DAWI Ausnahmen, im Einzelfall geprüft werden, ob ein allgemein wirtschaftliches Interesse im Sinne einer gemeinwirtschaftlichen Dienstleistung nach vorliegt (siehe Frage 10). Anders als bei der DAWI-De-minimis Ausnahme, gibt es nach Art. 106 Abs. 2 AEUV dann aber im AEUV keinen Schwellenwert, sodass Beihilfen unabhängig von ihrer Höhe vom Beihilfeverbot ausgeschlossen werden können. Präzisiert wurde diese Vorschrift jedoch durch den Beschluss 2012/21/EU, der eine Deckelung von in der Regel 15 Millionen pro Jahr vorsieht. Daneben wurden dort zahlreiche Ausnahmen zu dieser Maximalsumme sowie Details zum notwendigen Verfahren aufgeführt.
Anders als bei De-minimis und DAWI-De-minimis Beihilfen, muss der Mitgliedsstaat über Beihilfen nach Art 106 Abs. 2 AEUV regelmäßig gegenüber der Kommission berichten.
Es kann nach aktueller rechtlichen Lage nicht per se von einer generellen Anwendbarkeit für die Freie Wohlfahrtspflege ausgegangen werden. Im Ergebnis sollte hier jeweils unbedingt eine ausführliche Prüfung im Einzelfall durchgeführt werden und die Einordnung im Zweifel mit dem Beihilfegeber thematisiert werden.
Bereichs- und Ermessensausnahmen sowie Freistellungverordnungen sind für die Freie Wohlfahrtspflege in aller Regel nicht einschlägig.
Die Bereichsausnahmen sind in Art. 107 Abs. 2 AEUV abschließend genannt. Sie umfassen Beihilfen sozialer Art direkt für Verbraucher*innen, Beihilfen bei Naturkatastrophen sowie Beihilfen zur Angleichung von Ost- und West in Deutschland. Wenn eine solche Beihilfe vorliegt, unterliegt sie ganz automatisch nicht dem Beihilfeverbot.
Bei Ermessensausnahmen nach Art. 107 Abs. 3 a)- d) AEUV gibt es die Möglichkeit, diese vom Beihilfeverbot auszuschließen. Erfasst sind hier die Förderungen wirtschaftlich schwacher EU Regionen, gemeinsame Interessen und Belange der EU, Förderung ganzer Wirtschaftszweige sowie kulturelle Förderungen.
Beihilfen können auch mit Hilfe einer sogenannten Freistellungsverordnung (Art. 107 Abs. 3 e) AEUV) - wie beispielsweise die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung - durch die Kommission vom Beihilfeverbot ausgeschlossen werden. Eine solche Verordnung speziell für die Freie Wohlfahrtspflege gibt es nicht.
Weiterführende Informationen
Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18.12.2013, De-minimis-Verordnung
Verordnung (EU) Nr. 360/2012 der Kommission vom 25.4.2012, DAWI-De-minimis-Verordnung
Mitteilung der Kommission vom 1.11.2012, 2012/C 8/02
Beschluss der Kommission vom 20.12.2011, 2012/21/EU
EuGH vom 24.7.2003, C-280/00, Altmark Trans
OLG Nürnberg vom 21.11.2017, 3 U 134/17
Groeben, von der/Schwarze/Wolfgang Mederer, 7. Aufl. 2015, AEUV Art. 106.
Streinz/Kühling, 3. Aufl. 2018, AEUV Art. 106.
Kontakt:
Paula Wenning
Referentin für Sozialrecht