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Von: Lara Röscheisen und Lydia Guba
Das neue Lieferkettengesetz unter der Lupe.
Globale Wertschöpfungsketten betreffen uns alle. Unsere Kleidung, Lebensmittel und elektronischen Artikel haben in der Regel eine lange Reise hinter sich. Dem großen Angebot und günstigen Preisen in Ländern des Globalen Nordens steht der hohe Preis in den Produktionsländern gegenüber. Denn besonders am Anfang der Lieferkette herrschen oft menschenunwürdige Arbeits- und Produktionsbedingungen. Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit, fehlende soziale Mindeststandards, Umweltzerstörung, Gesundheitsschäden, Landvertreibung oder bewaffnete Konflikte sind bei der Ernte und Verarbeitung von Agrarprodukten sowie beim Abbau von Ressourcen keine Einzelfälle, sondern ein öffentlich bekannter Status quo.
Das am 11. Juni 2021 verabschiedete Lieferkettengesetz gibt neue Hoffnung: Erstmals gibt es in Deutschland ein Gesetz, das große Unternehmen dazu verpflichtet, Menschenrechte in ihren Lieferketten zu achten. Es fördert somit den nachhaltigen Konsum, bei dem Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden. Seit knapp zwei Jahren unterstützt AWO International die Initiative Lieferkettengesetz als eine von 128 zivilgesellschaftlichen Organisationen und forderte nach dem längst überfälligen Gesetz.
Das neue Gesetz bezieht sich auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die ein wichtigstes internationales Instrument der Unternehmensverantwortung für Menschenrechte stellen. Bei Verstößen gegen ihre Sorgfaltspflichten müssen Unternehmen zukünftig mit staatlichen Sanktionen rechnen. Das ist ein bedeutender Schritt, denn freiwillige Ansätze von Unternehmen zur Verankerungen von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in globalen Lieferketten waren in der Vergangenheit unwirksam.
Bedeutet das, dass wir nun guten Gewissens Einkaufen können und für alle Produkte faire Produktionsbedingungen gelten? Leider nicht. Obwohl das Gesetz einen Paradigmenwechsel hin zu einem sozialen und nachhaltigen Konsum einläutet, gilt es erst ab 2023 für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeiter*innen. 2024 sinkt der Schwellenwert auf 1.000 Beschäftigte. Es greift also nicht für alle Unternehmen. Das Gesetz beinhaltet auch nicht die zivilgesellschaftliche Haftung. Das heißt, dass Betroffene über keine Möglichkeit verfügen, Menschenrechtsverstöße vor deutschen Gerichten geltend zu machen oder Schadensersatz einklagen zu können.
Umweltbezogene Sorgfaltspflichten werden im Lieferkettengesetz nur oberflächlich behandelt. Es adressiert Umweltzerstörung nur dann, wenn sie im direkten Zusammenhang mit menschenrechtlichen Risiken stehen. Umweltschutzmaßnahmen und Auswirkungen auf das Klima wie beispielsweise durch Waldrodung oder Biodiversitätsverlust werden im Gesetz nicht abgedeckt. Ein faires und nachhaltiges Lieferkettengesetz muss die aktuellen Schwachstellen nachbessern um so konsequent gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung entgegen zu steuern.
Gemeinsam für den Fairen Handel bei AWO International
AWO International macht sich seit langem für den Fairen Handel stark und vertreibt eigene fair gehandelte Produkte wie Kaffee, Espresso, Tee und Zucker über den Onlineshop. Auf vielen Ebenen gehen die Fairtrade-Standards unserer Kooperativen über die Regelungen des aktuellen Lieferkettengesetzes hinaus. Dies zeigt sich in den Handelspraktiken, dem ökologisch nachhaltigen Anbau, der Zahlung von existenzsichernden Löhnen oder auch in den Gender-Aspekten.
Langfristig gesehen leistet der Faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung, Armutsbekämpfung und weltweite Gerechtigkeit. Wir freuen uns besonders über die positiven Entwicklungen der letzten Jahre im Fairen Handel. Denn der Absatz von fair gehandelten Produkten in Deutschland ist in den letzten Jahren stärker gewachsen denn je. Immer mehr verantwortungsbewusste Verbraucher*innen entscheiden sich für faire Produkte und gegen Ausbeutung. Mit dem Kauf von Fairtrade-Produkten leisten Konsument*innen einen wichtigen Beitrag zur Stärkung von Kleinbauernorganisationen und Beschäftigten im Globalen Süden und für einen Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise. Je mehr Produkte fair produziert und konsumiert werden, umso größere Hebelwirklungen entstehen auch auf die anderen Zielsetzungen der Agenda 2030.
Der Faire Handel zeigt: Es ist möglich, soziale und ökologische Verantwortung entlang globaler Lieferketten zu übernehmen. Sie sollen damit nun keine Ausnahme mehr darstellen. Es ist längst an der Zeit, einheitliche Regeln für alle Unternehmen festzuschreiben! Die Missachtung von Menschenrechten und Umweltstandards darf keinen Wettbewerbsvorteil mehr bieten. Unternehmen, die Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden entlang ihrer Lieferkette billigend in Kauf nehmen, müssen endlich dafür haften. Der Faire Handel darf nicht länger die Ausnahme bleiben! Deshalb wird sich AWO International auch weiterhin für die effektive Umsetzung des Lieferkettengesetzes stark machen.
© Germanwatch
#DuKannstDas
Die AWO begleitet die 12 Wochen bis zur Wahl unter dem Motto „Deutschland, Du kannst das!“ mit sozial- und gesellschaftspolitischen Forderungen an die kommende Bundesregierung. Dieser Beitrag gehört zur Themenwoche „Nachhaltig sozial“. Mehr dazu unter: awo.org/bundestagswahl-2021.