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Von: Wolfgang Stadler
Kommentar vom AWO Bundesvorsitzenden zu den Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine der AWO.
In wenigen Tagen wird gewählt und viele Wähler*innen fragen sich: Wo bleibt der heiße Wahlkampf? Dass man bei dieser Bundestagswahl den Eindruck gewinnen kann, sie finde ohne einen richtigen Wahlkampf statt, hat viele Gründe. So sind es oft die Kandidat*innen selbst, die sich dem direkten Wettstreit der Ideen und Konzepte entziehen. Auf der anderen Seite gelingt es den Populisten immer wieder, mit gezielten öffentlichen Provokationen von inhaltlichen Auseinandersetzungen abzulenken. Und wenn es zu einer direkten Gegenüberstellung der Parteien und ihrer Inhalte kommt, sind die Debatten oft so spezialisiert und die Aussagen so spitzfindig formuliert, dass viele Menschen nicht mehr folgen können. Den Wähler*innen wird dadurch häufig nicht richtig klar, wofür die Parteien stehen und wodurch sie sich eigentlich unterscheiden.
Die AWO hat bereits zu Beginn dieses Jahres die aus ihrer Sicht wichtigsten sozialpolitischen Fragen in Wahlprüfsteinen zusammengefasst und zur Beantwortung an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU/CSU, DIE LINKE., die FDP und an die SPD gesandt. Die Antworten haben wir in einer Broschüre zusammengetragen, die nunmehr auch als PDF-Datei zum Download zur Verfügung steht. Bereits der Umfang der Broschüre von mehr als 70 Seiten macht deutlich: Alle Parteien haben sich mit der Beantwortung unserer Fragen sehr viel Mühe gemacht. Wenn man sich mit den Antworten näher befasst, stellt man fest, dass die Unterscheidbarkeit der Parteien, die viele von uns im Wahlkampf vermissen, sehr wohl gegeben ist.
In einer unserer Fragen tritt die Unterscheidbarkeit der Parteien besonders klar hervor. Das ist unsere Frage Nr. 4 zur Armutsbekämpfung. Wir haben die Parteien gefragt:
„Was schlägt ihre Partei vor, damit unser Sozialstaat Armut wirksamer verhindern und mehr Verteilungsgerechtigkeit schaffen kann? Wird sich Ihre Partei für eine höhere Besteuerung von Einkommens- und Vermögensreichtum stark machen?“
Die Antworten der Parteien – die wir übrigens im zweiten Teil der Broschüre kurz zusammengefasst haben – zeigen, dass die Parteien durchaus für unterschiedliche Inhalte stehen und unterschiedliche Konzepte vertreten. Deshalb ist es eben nicht einerlei, was man wählt. Wer die fehlende Unterscheidbarkeit der Parteien beklagt, muss als mündige*r Wähler*in einen Blick in die Wahlprogramme der Parteien werfen. Die Antworten der Parteien auf unsere Wahlprüfsteine zeigen jedenfalls: Die Mühe lohnt sich.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen alle Menschen wirksam vor Armut schützen. Mit dem grünen Familienbudget sollen Kinderarmut verhindert, Alleinerziehende gestärkt und Familien um 12 Mrd. Euro entlastet werden. Es bedarf guten und günstigen Wohnraums und einer Million neuer Sozialwohnungen. Der Anstieg der Mieten muss gebremst und das Wohngeld erhöht werden. Mit der grünen Garantierente sollen alte Menschen besser vor Armut geschützt werden. Die grüne Grundsicherung will ein Leben in Würde ermöglichen.
CDU/CSU
CDU/CSU meinen, der beste Schutz vor Armut ist ein sicherer Arbeitsplatz. Das Ziel lautet: Vollbeschäftigung bis 2025 – sicher und fair bezahlt. Eine Erhöhung der Einkommensteuer oder eine Wiedererhebung der Vermögensteuer wird abgelehnt. Diese belasten insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen und sind damit eine Wohlstands- und Arbeitsplatzbremse.
DIE LINKE
DIE LINKE fordert eine sanktionsfreie bedarfsgerechte Mindestsicherung von 1.050 Euro monatlich. Der Mindestlohn soll auf 12 Euro erhöht werden. Das Kindergeld soll für das erste/zweite Kind auf 328 Euro pro Monat steigen. Untere und mittlere Einkommen sollen entlastet werden. Jahreseinkommen oberhalb von 260.000 Euro sollen stärker besteuert werden. Privates Nettovermögen oberhalb von einer Mio. Euro soll mit fünf Prozent besteuert werden. Für notwendiges Betriebsvermögen ist ein Freibetrag von 5 Mio. Euro vorgesehen.
FDP
Die FDP sieht das Problem nicht darin, dass hohen Einkommen zu wenig abgenommen wird. Das Problem ist die steigende Steuerlast bei kleinen und mittleren Einkommen. Ein Durchschnittsverdiener darf nicht fast den Höchststeuersatz zahlen. Der Tarif soll „nach rechts verschoben“ werden, sodass der jeweils nächste Steuersatz erst bei einem höheren Einkommen steigt. Der sog. Mittelstandsbauch soll abflachen und ein leistungsgerechteren Tarif gestaltet werden, der regelmäßig an die Inflation angepasst wird.
SPD
Die SPD meint, gute und gut bezahlte Arbeit steht an erster Stelle. Nur so kann Armut im Alter wirksam bekämpft werden. Langjährig Versicherte sollen von ihren Alterseinkünften angemessen leben können. Es bedarf Aufstiegschancen für alle. Besonders Vermögende und Menschen mit ausgesprochen hohen Einkommen sollen noch stärker zur Finanzierung beitragen müssen.