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Von: Valentin Persau und Paula Wenning
AWO fragt bei Parteien nach!
Heute haben wir unsere Wahlprüfsteine an die demokratischen Parteien versandt. Wir wollen von ihnen wissen, ob und wie sie sich nach der Wahl für das Soziale einsetzen werden. Dafür haben wir folgenden Fragenkatalog entwickelt. Wir erwarten Antworten innerhalb der kommenden Wochen und werden diese hier veröffentlichen.
Unsere Frage an die Parteien:
Welche Bedeutung hat die Freie Wohlfahrtspflege für ihr Sozialstaatsverständnis und welche konkreten Schritte zur Stärkung des Subsidiaritätsprinzips schlägt ihre Partei vor?
Hintergrund:
Die Freie Wohlfahrtspflege ist eine tragende Säule im deutschen Wohlfahrtssystem. Mit ihren vielfältigen und qualitativ hochwertigen Angeboten, Diensten und Einrichtungen werden Millionen Menschen erreicht, soziales Miteinander gelebt und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt. Jedoch steht die Freie Wohlfahrtspflege finanziell unter Druck und setzt sich in vielen Bereichen für eine verlässliche finanzielle Ausstattung und Verstetigung ihrer Angebote ein. Die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass die Freie Wohlfahrtspflege systemrelevant ist. Um die Folgen der Pandemie bewältigen und auch weiterhin für die Menschen da zu sein, muss die Freie Wohlfahrtspflege auf stabilen Beinen stehen.
Unsere Frage an die Parteien:
Welches Reformmodell schlagen Sie vor, um der finanziellen Belastung von Pflegebedürftigen zu begegnen, die Attraktivität des Pflegeberufes zu steigern (bspw. durch flächendeckende Tarifverträge) und die Finanzierung von Pflege solidarisch und zukunftsfest auszugestalten?
Hintergrund:
In der aktuellen Legislaturperiode ist die notwendige umfassende Pflegereform ausgeblieben. Einzelne Änderungen am bestehenden Pflegeversicherungssystem, wie etwa ein relativer Zuschuss zu den pflegebedingten Kosten in der stationären Pflege, reichen nicht hin, um die Systemdefizite und Ungerechtigkeiten zu heilen. Es braucht nach wie vor eine tiefgreifende Strukturreform der Pflegeversicherung, welche die Bedingungen für Pflegebedürftige, pflegende An- und Zugehörige und professionell Pflegende verbessert und dabei die Pflege auf eine breite und zukunftsfeste Finanzierungsbasis stellt
Unsere Frage an die Parteien:
Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um die Prävention und den Schutz vor Gewalt für die unterschiedlichen von Gewalt betroffenen bzw. bedrohten Gruppen zu verbessern, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, bei Beziehungsgewalt gegenüber Frauen und im digitalen Netz?
Hintergrund:
Die Verbesserung und Stärkung des Schutzes vor körperlicher, psychischer, digitaler und geschlechtsspezifischer Gewalt sind der AWO ein großes Anliegen. Um das zu erreichen bedarf es Strategien und Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen, u.a. Aufklärung und Information so früh wie möglich, eine gut erreichbare Infrastruktur von Beratungs- und Hilfeangeboten sowie konkrete (gesetzliche) Regelungen zur Verhütung von Gewalt sowie deren Sanktionierung. Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz, aber auch die Berücksichtigung von Beteiligungsformen von Kindern und Jugendlichen in einfachgesetzlichen Normen sowie Verordnungen, die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention, ein Rechtsanspruch für Frauen auf Schutz und Hilfe sowie konkrete Maßnahmen vor Gefährdungen im digitalen Raum sind aus Sicht der AWO unerlässlich, um wirkungsvolle Prävention und verlässlichen Schutz gesellschaftlich zu stärken
Unsere Frage an die Parteien:
Was plant Ihre Partei zur Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft?
Hintergrund:
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Für die Gestaltung einer offenen, pluralen und diversen Einwanderungsgesellschaft muss die Bundesregierung Verantwortung übernehmen. Die Konsequenz daraus ist, dass die neue Bundesregierung offensiv Maßnahmen zum Kampf gegen Rassismus und zum Abbau diskriminierender Strukturen ins Leben ruft, damit Teilhabe und Teilnahme an gesellschaftlichen Ressourcen allen Menschen ermöglicht werden. Zugehörigkeit und Zusammenhalt im Gemeinwesen müssen dabei immer wieder neu gestärkt werden.
Unsere Frage an die Parteien:
Mit welchen Maßnahmen wird ihre Partei gewährleisten, dass Deutschland seine Klima- und Nachhaltigkeitsziele einhält und wie werden Sie dabei eine faire Verteilung der Lasten und damit Teilhabe sowie Akzeptanz für die Klima- und Nachhaltigkeitsziele gewährleisten?
Hintergrund:
Die kommende Legislaturperiode wird darüber entscheiden, ob Deutschland seine im Pariser Klimaabkommen und in der Agenda 2030 eingegangenen Verpflichtungen einhalten kann. Dabei müssen soziale und umweltpolitische Fragen zusammen gedacht und ihre gegenseitigen Wechselwirkungen berücksichtigt werden. Die neue Bundesregierung muss für eine sozial-ökologische Transformation stehen, an der alle Menschen teilhaben können.
Unsere Frage an die Parteien:
Welche Konzepte hat Ihre Partei, um Kinderarmut abzubauen, benachteiligten Menschen den Erst- oder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und mit Armut einhergehende soziale Problemlagen, etwa in den Bereichen Wohnen, Gesundheit und Teilhabe umfassend und bedarfsgerecht zu bekämpfen?
Hintergrund:
Trotz einer guten wirtschaftlichen Entwicklungen und eines Beschäftigungshochs vor der Corona-Pandemie gelang es nicht, das weiterhin hohe Niveau der Armut und Ungleichheit abzubauen. Viele Menschen leben in verfestigten Armutslagen und sind dauerhaft von der Arbeitswelt und ihrer sozial integrativen und identifikationsstiftenden Wirkung ausgeschlossen. Außerdem wächst jedes fünfte Kind in Armut auf und ist damit einem zentralen Entwicklungsrisiko ausgesetzt. Die soziale Ungleichheit ist hoch.
Unsere Frage an die Parteien:
Wie plant Ihre Partei das soziale und nachhaltige Europa zu stärken, die Grundsätze der ESSR umzusetzen, die gemeinnützige Sozialwirtschaft EU-weit zu fördern sowie die partnerschaftliche Entwicklung und Umsetzung von EU-Förderprogrammen und den Zugang zu EU-Fördermitteln zu verbessern?
Hintergrund:
Die AWO setzt sich für ein soziales, solidarisches und nachhaltiges Europa ein, welches die demokratischen Prinzipien durchsetzt und eine starke Zivilgesellschaft fördert. Die Folgen der Corona-Pandemie und die damit einhergehende zunehmende Armut sowie die Herausforderungen des Klimawandels und der digitalen Transformation erfordern europäische Lösungen. Bei der Bewältigung dieser Herausforderungen spielen die vielfältigen sozialen Dienstleistungen der gemeinnützigen Sozialwirtschaft eine bedeutende Rolle, nicht zuletzt durch deren Beitrag zur Umsetzung der Europäischen Säule Sozialer Rechte und die Durchführung von EU-Förderprogrammen.
Unsere Frage an die Parteien:
Wie wird Ihre Partei sicherstellen, dass die Engagementinfrastruktur der Vereine, Freiwilligenagenturen oder Mehrgenerationenhäuser langfristig und angemessen finanziert wird und dass sich mehr Menschen unabhängig von ihrem Bildungshintergrund, ihrer Herkunft oder Einkommenssituation engagieren können?
Hintergrund:
Engagement und gelebte Demokratie hängen zusammen. Alle Menschen sollen die Möglichkeit haben, sich aktiv einzubringen, neues zu lernen und gemeinsamen mit anderen das Leben vor Ort ein Stück besser zu machen. Die Corona-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, was Engagierte in einer Krisensituation zu leisten vermögen. Sie hat aber auch gezeigt, dass zivilgesellschaftliche Organisationen verletzbar sind und Förderung benötigen.
Weiteres zur Bundestagswahl
Die AWO begleitet die 12 Wochen bis zur Wahl unter dem Motto „Deutschland, Du kannst das!“ mit sozial- und gesellschaftspolitischen Forderungen an die kommende Bundesregierung. In der kommenden Woche startet der Themenschwerpunkt „Aufbruch nach und mit Corona“. Mehr dazu unter: https://awo.org/bundestagswahl-2021