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Anlässlich der heutigen ersten parlamentarischen Lesung des Entwurfs zum Regelbedarfsermittlungsgesetz rügt der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt die vorgesehenen Erhöhungen als unzureichend.
Er fordert, die Berechnung der Grundsicherung weiterzuentwickeln. „Wissenschaft und Zivilgesellschaft üben seit Jahren begründete Kritik an dem derzeitigen System der Regelbedarfserrechnung“, erklärt dazu Jens M. Schubert, Bundesgeschäftsführer der AWO, „Es ist äußerst fragwürdig, erst einen tatsächlichen Bedarf zu ermitteln und im Nachgang den Rotstift anzusetzen, um vermeintlich nicht bedarfsrelevante Bedarfe wegzukürzen. Neben der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Verfahrens geht es aktuell vor allem um eine politische Entscheidung: Wie sehr dürfen Menschen in ihren finanziellen Möglichkeiten eingeschränkt werden, die sowieso schon benachteiligt sind?“
Der vorliegende Entwurf wiederholt weitestgehend das breit kritisierte Berechnungsverfahren aus den Jahren 2011 und 2016. Dabei werden zunächst mit einem statistischen Verfahren die unteren durchschnittlichen Ausgaben für die alltägliche Lebensführung ermittelt und zahlreiche Posten im Nachhinein gekürzt. Dadurch wird der finanzielle Spielraum der Betroffenen so massiv beschränkt, dass keine Möglichkeit für internen Kostenausgleich, eigenständige Konsumentscheidungen oder kurzfristig notwendige Anschaffungen mehr bleibt. Die AWO mahnt deshalb eine Verbesserung des Berechnungsverfahrens an.
Der Verband kritisiert zudem, dass die pandemiebedingten Mehrkosten nicht ausdrücklich in der jetzigen Entwurfsfassung berücksichtigt worden seien. „Corona kommt diejenigen teuer zu stehen, die sowieso schon wenig haben. Mit den aktuellen Regelbedarfshöhen konnten und können Corona-bedingte Mehrkosten nicht hinreichend ausgeglichen werden. Der Gesetzesentwurf gibt keine Antwort, wie die Mehrkosten der letzten Monate für Masken, Desinfektionsmittel, nötige digitale Anbindung und vieles mehr bei Betroffenen ausgeglichen werden können“, so Schubert.
Die AWO sehe dringenden Bedarf zur Nachbesserung. Der Verband fordert daher eine zu März 2020 rückwirkende Regelsatzerhöhung, um Betroffene schnell zu entlasten. Anderenfalls würden Teilhabemöglichkeiten für Betroffene stark eingeschränkt bleiben
Schubert abschließend: „Insgesamt nutzt der Gesetzgeber bisher seinen Handlungsspielraum nicht hinreichend aus, um die Situation für über sieben Millionen Grundsicherungsbeziehende spürbar zu verbessern. Es bleibt zu hoffen, dass dies im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens nachgeholt wird.“
Kontakt:
Jennifer Rotter
Pressesprecherin