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Von: Kitty Thiel
Die Verschärfungen sind diskriminierend und greifen unverhältnismäßig in Grundrechte ein, sie werden in der Praxis nur zu mehr Härten und Verunsicherungen führen.
Die Bundesregierung legt ein neues Gesetzesvorhaben auf den Tisch, welches sehr an alte Zeiten erinnert und gut unter dem Titel „Hau ab Gesetz III“ laufen kann. Grundlage des Gesetzesvorhabens sind erneut die Vereinbarungen, die am 10.Mai 2023 aus dem Flüchtlingsgipfel hervorgingen. Der Fokus des neuen Gesetzesvorhabens liegt auf der Durchsetzung der Ausreisepflicht von Schutzsuchenden und Migrant*innen, die sich angeblich bewusst ihrer Ausreisepflicht entziehen.
Die gesetzlichen Maßnahmen u.a sind:
- Abschiebungshaft ist möglich auch während eines laufenden Asylverfahrens
- Neue Möglichkeiten der Sicherungshaft und Verlängerung der Höchstdauer von 3 auf 6 Monate
- Behörden können sich beschweren, wenn der Abschiebungshaftantrags vom Richter abgelehnt wird.
- Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams wird von 10 auf 28 Tage verlängert.
- Die Behörden können auch andere Räumlichkeiten als das Zimmer des Betroffenen in einer Gemeinschaftsunterkunft betreten.
- Die Zivilgerichte sollen Durchsuchungen im Zusammenhang mit Abschiebungen anordnen;
- Widerspruch und Klagen gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote haben keine aufschiebende Wirkung mehr.
- Wohnsitzauflagen und Räumliche Beschränkungen sind ebenfalls künftig von Gesetzes wegen sofort vollziehbar.
- Die Fälle, in denen Staatsanwaltschaften bei Abschiebungen aus der Haft zu beteiligen sind, sind reduziert worden.
- Das frühzeitige Auslesen von Mobiltelefonen zur Identitätsklärung einer Person ist pauschal möglich,
- Ein neuer Ausweisungsgründ wird geschaffen und die Voraussetzungen einiger anderer gesenkt
- Neue Strafnormen in § 97 AufenthG
Die gesetzlichen Maßnahmen sind diskriminiert, werden unverhältnismäßig in Grundrechte eingreifen und weitere Verfahrensrechte einschränkt.
Die Regelungen treffen nicht nur Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, sondern
- auch diejenigen, die kein Reisedokument besitzen, aber durch sonstige Dokumente ihre Identität klären können,
- alle Menschen, die in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen und nicht ausreisepflichtig sind, sondern sich im Asylverfahren befinden oder einen Schutzstatus erhalten haben
- Mit der Aufnahme „Angehöriger einer kriminellen Vereinigung“ in § 54 AufenthG-E wird ein neuer Ausweisungsgrund geschaffen und potenziell mehr Menschen ausreisepflichtig die zuvor einen Aufenthalt hatten.
Die Regelungen zeichnen ein Bild von Schutzsuchenden und Migrant*innen, welches unseren Erfahrungen nicht entspricht. Zum einen belegen die Zahlen der Asylstatistik hohe Schutzquoten (71,3 %). Fast ¾ aller Schutzsuchenden die zu uns nach Deutschland kommen werden nicht ausreisepflichtig. Zudem sind die Zahlen geduldeter Menschen rückläufig. Ende 2022 waren noch 304.308 Personen im Besitz einer Duldung, Ende August 2023 sind es laut AZR nur noch 261.925 Menschen. Darüber hinaus haben weniger als 10 Prozent der Geduldeten (9,2 Prozent) eine so genannte Duldung "light" (§ 60b AufenthG), d.h. dass die Behörden hier unterstellen, dass sie ihre Abschiebung, durch die nicht Offenlegung ihrer Identität oder fehlende Mitwirkung an der Passbeschaffung, selbst verhindern. Schaut man sich jetzt die Herkunftsländer der Menschen mit einer Duldung an, wie Afghanistan, Iran, Irak und Russland, lässt vermuten, dass eine Passbeschaffung häufig nicht einfach oder gar unmöglich ist.
Die Herausforderungen der Kommunen bei der Aufnahme schutzsuchender Menschen wird das Gesetzesvorhaben nicht lösen. Die AWO geht nicht davon aus, dass die Regelungen zu mehr Abschiebungen führen. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigen, dass Verschärfungen in der Praxis nur zu Härten und zu Verunsicherungen führen.
Demgegenüber fehlen zukunftsorientierte Regelungen, welche Kommunen wirklich entlasten könnten. Insbesondere Vorhaben fehlen, wie sie noch der Koalitionsvertrag 2021 vorsah, wie die Erweiterung der Klärung der Identität durch eine Versicherung an Eides statt, die Abschaffung von Arbeitsverboten für in Deutschland lebende Personen und nicht zuletzt die Gleichstellung von subsidiär Geschützten mit den GFK- Flüchtlingen bei der Familienzusammenführung, die Inkludierung von minderjährigen Geschwistern beim berechtigten Elternnachzug zu unbegleiteten Minderjährigen, sowie das Erbringen des erforderlichen Sprachnachweises von nachziehenden Ehegatten unverzüglich nach ihrer Ankunft.
Auch sollten Beratungsstrukturen, die Schutzsuchende und Migrant*innen, z.B. beim Ankommen in Deutschland unterstützen, während des Asylverfahren beraten, beim Erlernen der deutschen Sprache oder Arbeitsaufnahme behilflich sind, bedarfsgerecht gefördert werden. Die Kürzungen, wie sie der aktuelle Haushaltsplan für 2024 vorsieht führt wirklich zu einer Belastung von Kommunen.