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Von: Kitty Thiel
Heute vor 70 Jahren, am 28. Juli 1951, wurde auf einer UN-Sonderkonferenz die Genfer Flüchtlingskonvention verabschiedet. Seither schützt sie weltweit Flüchtlinge vor Verfolgung und legt fest, welche Rechte im Aufnahmeland gewährt werden. Die Genfer Flüchtlingskonvention genießt hohe Akzeptanz, nicht zuletzt auf Grund der vielen Unterzeichnerstaaten.
Die AWO ist sich sicher, solange Menschen verfolgt werden, braucht es die Genfer Flüchtlingskonvention und fordert, Fluchtursachen anzugehen, sichere Zugangswege zu schaffen und zu verstätigen sowie die Errungenschaften und Garantien der Konvention einzuhalten.
Laut dem Global Report 2020 befinden sich 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht. Darunter 26,4 Millionen Flüchtlinge unter UNHCR-Mandat. 42 % der Vertriebenen sind Kinder unter 18 Jahren. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 2018 und 2020 fast eine Million Kinder als Flüchtlinge geboren wurden. Viele von ihnen werden noch jahrelang Flüchtlinge bleiben. Mehr als zwei Drittel aller Menschen, die aus ihrem Herkunftsland geflohen sind, kommen aus nur fünf Ländern - aus Syrien (6,7 Millionen), Venezuela (4,0 Millionen), Afghanistan (2,6 Millionen), Südsudan (2,2 Millionen) und Myanmar (1,1 Millionen). Menschen fliehen vor Gewalt, Krieg und Menschenrechtsverletzungen. Jährlich kommen immer mehr Menschen hinzu, die aufgrund von Konflikten und Krieg ihre Lebensgrundlage verlieren, mangels Rücklagen oder bestehenden sozialen Umfeldes Dürren oder Naturkatastrophen nicht ausgleichen können und unter Ernährungsunsicherheit leiden.
Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 bietet einen rechtlichen Rahmen und das Werkzeug, um auf Vertreibung zu reagieren und Menschen eine neue, sichere Lebensperspektive zu geben. Zudem bedarf es einer Politik, die Krisen und Konflikte nicht ignoriert und angemessen handelt.
Die Situation wird jährlich immer dramatischer. Die große Mehrheit der Flüchtlinge in aller Welt (fast neun von 10 Flüchtlingen) wird von Ländern aufgenommen, die an Krisengebieten grenzen und Länder mit niedrigem Einkommen sind. Viele Erstaufnahmestaaten sind nicht sicher oder können Flüchtlingen keine ausreichende Lebensgrundlage bieten. Dies führt zu neuen Fluchtbewegungen und jeden Tag gehen Menschen das hohe Risiko ein, einen Weg nach Europa zu finden. Diese Menschen haben keine andere Wahl, als diese gefährlichen Wege auf sich zu nehmen. Doch damit muss endlich Schluss sein: Sichere und legale Zugangswege in die EU sind nötig, um die hohen Risiken für Flüchtlinge zu minimieren. Es bedarf der Überführung schutzbedürftiger Menschen aus Ländern wie Äthiopien, Tschad und Kamerun – Regionen mit niedrigem Einkommen, in denen die überwiegende Mehrheit der Vertriebenen der Welt leben – in sichere Länder anderswo. Weltweit gibt es Aufnahmeprogramme, die vor Ort helfen Personen neu anzusiedeln. Allerdings liegen die Bedarfe weit höher als die Aufnahmezusagen der Länder. Zudem wurden diese bereits unzureichenden Zusagen durch die Corona-Pandemie und den einhergehenden Reisebeschränkungen nicht erfüllt. Die EU-Mitgliedstaaten und das Vereinigte Königreich haben für das Jahr 2020 nur 9.119 Flüchtlinge neu angesiedelt. Dies liegt weit hinter der Zusage zurück, bis zum Jahr 2020 fast 30.000 Flüchtlinge über diese Wege aufzunehmen. Dies entspricht nur 0,6 % des weltweiten Bedarfs. Seitdem hat die EU die Neuansiedlung nur langsam wiederaufgenommen.
Schätzungsweise werden nächstes Jahr 1,47 Millionen Flüchtlinge eine Neuansiedlung benötigen, darunter fast 367.000 besonders schutzbedürftige Personen, wie Kinder, Traumatisierte und Menschen mit einer Behinderung.
Zudem ist die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik menschlich, solidarisch und unter den Garantien der Genfer Flüchtlingskonvention zu gestalten. Ein zentraler Bestandteil der Genfer Flüchtlingskonvention ist, dass die unterzeichnenden Staaten die Flüchtlinge an ihren Grenzen nicht zurückweisen dürfen, ohne zuvor ihre Schutzbedürftigkeit zu prüfen. Dieses Zurückweisungsverbot bedeutet, dass alle Flüchtlinge ein Recht darauf haben, im Ankunftsland einen Antrag auf Asyl zu stellen. Zugleich sichert dieser Grundsatz der Nichtzurückweisung das Verbot der Rückführung von Personen in Staaten, in denen ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. So dürfen Flüchtlinge auch nicht in Länder geschickt werden, welche diese dann wiederum in andere Länder weiterschiebt, wo Leben oder Freiheit bedroht sind.
Die Bundesregierung sollte dringend darauf hinarbeiten, ihre Migrations-, Asyl- und Flüchtlingspolitik so zu gestalten, dass Flüchtlinge menschenwürdig behandelt werden. Dies ist nicht nur menschlich geboten, sondern auch, weil Deutschland nur so glaubwürdig die Einhaltung internationaler Standards von anderen Ländern einfordern kann. Sie sollte stärker als bisher darauf hinwirken, dass das Recht an den EU-Außengrenzen und auf dem Boden der EU eingehalten wird.
Unsere Forderungen:
- Wir fordern das für 2020 gesetzte Ziel der Neuansiedlungen bis Ende 2021 zu erreichen, humanitäre Aufnahme- und Resettlementprogramme auszubauen und zu verstätigen und die Zahl der Neuansiedlungen an die Bedarfe anzupassen.
- Wir fordern, die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik menschlich, solidarisch und unter den Garantien der Genfer Flüchtlingskonvention zu gestalten.
zu unserer Pressemitteilung "AWO zu 7o Jahre Genfer Flüchtlingskonvention – rechtliche Errungenschaften erhalten und garantieren!" führt Sie dieser Link