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Von: Alexandra Hoorn
…und was die neue Bundesregierung dafür tun kann, dass junge Menschen die kritische Auseinandersetzung mit ihren Lebensrealitäten im Freiwilligendienst erlernen können.
In diesen Zeiten, in denen es ein globales Erstarken nationalistischer und ausgrenzender Kräfte gibt, ist politische Bildung wichtiger denn je. Sie ist die Grundlage für ein demokratisches Bewusstsein, für gesellschaftliche Teilhabe und für die Solidarität mit allen denjenigen, die ausgegrenzt und bedroht werden.
Die AWO legt schon lange einen Schwerpunkt auf politischer Bildung in der pädagogischen Begleitung im Freiwilligendienst. Das FSJ (Freiwillige Soziale Jahr) und der BFD (Bundesfreiwilligendienst) sind ein überaus gewinnbringendes
Übungs- und Tätigkeitsfelder für soziales und politisches Engagement. Die Erfahrungen im praktischen Einsatz können dabei wunderbar mit Fragen sozialer Gerechtigkeit, den Visionen für gutes Zusammenleben und nachhaltiger Zukunftsgestaltung zusammengebracht und diskutiert werden.
Bisher ist es allerdings so, dass die Träger der Freiwilligendienste dazu verpflichtet sind, die Freiwilligen im BFD für eine Woche politischer Bildung an ein Bildungszentrum des Bundes zu schicken, statt diese Bildungstage analog zum „Schwesterdienst“ in Eigenregie durchzuführen. Daher fordert die AWO die neue Bundesregierung anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl dazu auf, die Durchführung der politischen Bildung den Trägern zu überlassen und den Zwang zur Nutzung der staatlichen Bildungszentren abzuschaffen. Der Hinweis, politische Bildung müsse „neutral“ sein und daher von den staatlichen Bildungszentren übernommen werden, ist absurd und muss der Vergangenheit angehören.
Wie macht die AWO politische Bildung im Freiwilligendienst?
Politische Bildung beginnt für uns nicht erst bei der Vermittlung von Parteiinhalten und Wahlen, sie setzt bereits viel früher an. Etwa bei der Frage „In was für einer Gesellschaft wollen wir eigentlich leben?“ Niedrigschwellig werden den jährlich rund 5.000 Freiwilligen in den Bildungstagen die Grundlagen und Zusammenhänge unseres Zusammenlebens aufgezeigt und der Bezug zur eigenen Lebensrealität hergestellt. So können die Freiwilligen eine eigene, kritische Haltung zu den gesellschaftlichen Zuständen entwickeln. Die Kolleg*innen der Arbeiterwohlfahrt und des Jugendwerkes der AWO setzen diese Art von Bildung vor Ort in vielfältiger Art und Weise um. Das fängt oft im Kleinen an, zum Beispiel bei der Frage nach dem gemeinsamen Umgang im Seminar, geht über Diskussionen zum Thema Diskriminierung oder Gender und hört bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen für mehr Wertschätzung im Freiwilligendienst nicht auf.
Politische Bildung in den Begleitseminaren wird in der Regel nicht als gesondertes Angebot gestaltet, sondern ist eng verzahnt mit der Persönlichkeitsbildung, der sozialen Bildung und der Arbeitsweltorientierung – sie wird als Querschnittsthema in die unterschiedlichen Angebote der Bildungsbegleitung integriert. Dabei legen wir Wert darauf, dass politische Bildung weder ein Selbstläufer ist noch alle Inhalte politisch sind.
Wir konzipieren und initiieren politische Bildung vielmehr gezielt und explizit als ein Angebot der Demokratie-bildung,
- das Freiwillige für politische Fragen und Zusammenhänge sensibilisiert,
- das sie ermutigt und unterstützt, sich eine eigene kritische Meinung zu bilden,
- indem soziale und politische Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden und
- das die Teilnehmenden zu aktiver Mitgestaltung anregt.
Wie ist das Thema politische Bildung bei uns verankert?
Politische Bildung ist ein Schwerpunkt der Bildungsbegleitung. Um dies abzusichern, haben die Träger gemeinsam ein Konzept für politische Bildung erarbeitet, in dem wir die Ziele der politischen Bildung definiert haben. Es dient als praktische Orientierung für die Ausgestaltung der pädagogischen Arbeit der AWO- und Jugendwerks-Träger und ist die Basis für die Diskussion und Konzeptentwicklung innerhalb der pädagogischen Teams, die ihre Konzepte, Inhalte und Methoden an den hier formulierten Zielen und Werten ausrichten.
Es gibt regelmäßige interne Fortbildungen zu den Themen politischer Bildung wie Demokratie, soziale Gerechtigkeit, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Gender, Inklusion, interkulturelle Öffnung, Flucht und Migration, Europa oder Nachhaltigkeit. Auf unseren jährlichen Fachtagungen und in den digitalen Austauschformaten tauschen die pädagogischen Fachkräfte sich zu Ideen und Methoden der politischen Bildung aus.
Im Rahmen dieses Prozesses wurde zum 100jährigen AWO-Jubiläum das Aktionsjahr für Solidarität und soziale Gerechtigkeit ins Leben gerufen, in dem sich die Freiwilligen, die sich bei der AWO im FSJ oder BFD engagieren, an besonderen Aktionen zu diesem Thema beteiligen konnten (z.B. ein Begegnungsprojekt, die Teilnahme an einem Ideenwettbewerb oder ein besonderes Themenseminar).
Weiterführende Informationen:
- Webseite der AWO Freiwilligendienste: www.awo-freiwillich.de
- Einsatzstellenbörse mit freien Plätzen im FSJ und BFD: https://awo-freiwillich.de/finde-deine-stelle/
- Politische Bildung in den AWO Freiwilligendiensten (Konzept): https://awo-freiwillich.de/wp-content/uploads/2020/10/Politische-Bildung-in-den-Freiwilligendiensten-der-AWO-Web.pdf
- Handbuch für das FSJ und den BFD bei der AWO: https://awo-freiwillich.de/wp-content/uploads/2019/01/AWO-Handbuch-FSJ-und-BFD_final_elektronische-Version.pdf
- Inklusion und Diversität in Freiwilligendiensten (Praxisleitfaden mit Handlungsempfehlungen): https://awo-freiwillich.de/wp-content/uploads/2021/07/bf_Br_Inklusion_Diversitaet.pdf
Die AWO begleitet die 12 Wochen bis zur Wahl unter dem Motto „Deutschland, Du kannst das!“ mit sozial- und gesellschaftspolitischen Forderungen an die kommende Bundesregierung. Dieser Beitrag gehört zur Themenwoche „Miteinander Füreinander“. Mehr dazu unter: awo.org/bundestagswahl-2021.
Kontakt:
Team Freiwilligendienste